Tourwoche
Tag 532 (12.02.2024)
25 °C
Zur Mittagszeit zogen wir um in ein Apartment in der Nähe. Über einer Druckerei richteten wir uns in einem großen Zimmer mit zwei Betten und offener Küche mit Essbereich, einem Schlafzimmer mit einem Doppel- und einem Einzelbett und zwei kleinen Bädern ein. Beide Bäder hatten je eine westliche Toilette, eine Duschstelle und ein kleines Handwaschbecken. In dem einen Bad hatte man allerdings eine Wand vor dem Gesicht, wenn man auf der Toilette saß. Dafür kam dort heißes Wasser aus dem Duschkopf. Zum Lüften gab es an der Decke einen kleinen Durchbruch in der Wand, rüber in den Essbereich. Das andere Bad, an der Wohnungstür, war etwas größer, hatte ein Fenster an die frische Luft und die Toilette zeigte in den Raum. Nur gab es dort kein heißes Wasser. Wir nutzten also ein Bad zum Duschen und Wäschewaschen und im anderen die Toilette. Der Besitzer betonte ungefragt, dass es egal sei, welche Betten wir benutzten. Damit hatten wir dann auch weniger Scheu, unsere Sachen überall auf den Betten auszulegen und uns tagsüber auf einem der anderen Betten zu lümmeln. Was auffiel, war die Wandfarbe. Sie war glänzend, wasserabweisend und hatte keine der üblichen braunen Flecken vom Kautabak Paan. Genauso wenig blätterte die Farbe von den Wänden oder war Schimmel zu sehen.
Wir wohnten nun für fünf Tage in der Nähe vom Ganges. Varanasi ist weltweit bekannt für seine Totenverbrennungen direkt am Ganges und das religiöse Baden in genau diesem stark verschmutzen Heiligtum. Die Zugänge, meist in Form von Treppen, werden Ghat genannt. Und davon gibt es in Varanasi unzählige. Wir brauchten fünf Minuten zu Fuß zum Assi Ghat. Die Straße dorthin war gepflastert mit diversen Lädchen. Der Zugang war etwas eng durch kleine Stände auf der einen, und den geparkten Motorrädern auf der anderen Seite. Es staute sich ein wenig. Hinter einem Tempel standen wir auf einem Plateau mit Sicht auf den Ganges, den fast leeren Sandstrand, den hinunterführenden Treppen und einem großen Platz mit schlendernden, schlemmenden und verkaufenden Personen. Nik war Verena voraus und wurde von einem gut gekleideten Herren mit verständlichem Englisch angesprochen. Er kenne sehr viele schwule Touristen, wäre Mode-Designer und biete Stadtführungen an. Homosexualität steht in Indien nicht unter Strafe, wird in der Öffentlichkeit allerdings nicht überall gesellschaftlich akzeptiert. Wie eigentlich in jedem Land, gab es Regionen, in den es weiterhin stark tabuisiert ist, während es in den Großstädten liberaler zugeht.
Nik brüllte Verena zu, sie solle zu ihm kommen. Geht's noch? 🤨 Er hatte sie zum Glück im Auge behalten. Denn während er mit dem netten Herren ins Gespräch kam, war sie noch von ihrer Umgebung überwältigt bis überfordert und wurde von zwei jungen Mädels angesprochen. Irgendwas mit einer Unterschriftenliste. Sagen wir mal so. Verena hatte nicht die Chance bekommen, selbst zu merken, dass das eine Betrugsmasche mit Geldspenden werden sollte. Sie versuchte gerade noch hoch konzentriert die Worte der Mädels überhaupt zu verstehen und im Kopf übersetzt zu bekommen, als sie vom Gebrüll aufschreckte. Das war sicher notwendig und definitiv gut gemeint, aber auch echt peinlich. Laut unserem neuen Freund trieb sich diese Gruppe, aus Jaipur stammend, mit der Spendenmasche seit zwei Monaten dort herum. Ein kleines Mädchen mit ihrem noch kleineren Bruder kam betteln. Sie waren vor vier Monaten an den Ghats aufgetaucht. Sie kannten unseren Gesprächspartner und gingen freundlich miteinander um.
Wir verabschiedeten uns und liefen noch ein wenig herum, bevor es zurück ins Apartment ging. Dort ließen wir uns Momos (vegetarisch gedämpft, Tandoori vegetarisch, Kurkure Cheese Burst) und Veg Street Style Chowmein hinliefern.
Tag 533 (13.02.2024)
20 °C
Wir konnten einfach nicht einschlafen und überlegten kurz vor Sonnenaufgang zum Assi Ghat zu gehen, in der Hoffnung, uns eine Zeremonie anschauen zu können, von der uns Tage zuvor erzählt wurde. Niks Wetterapp sagte ein heftiges Gewitter vorher. Noch war es draußen angenehm kühl und trocken, wir waren sowieso wach, Nik würde den Wetterbericht im Auge behalten und wir wohnten ganz in der Nähe. Also wagten wir es. Selbst wenn es am Ende nur ein kurzer Spaziergang werden würde, könnten wir danach vielleicht endlich einschlafen.
Diese Zeremonien heißen Aarti und sind sowohl bei Einheimischen als auch Touristen beliebt. Beim Aarti werden am Ufer des Ganges rituelle Feueropfer gebracht, unabhängig von der Wetterlage. Üblich ist ein kleines Licht in Form einer Kerze oder der tönernen Öllampe Diya und einigen Blüten. Sie werden in einem Schiffchen arrangiert und der Göttin Ganga geopfert, indem es auf den Fluss gesetzt wird. Die Strömung trägt es dann mit sich davon. In Haridwar, Rishikesh und Varanasi wird dieses Ritual aufwendiger gefeiert. Die Städte sollen sich jedoch in den Ausführungen unterscheiden - mal spiritueller, mal künstlerischer.
Auf dem Platz, an dem wir uns Stunden zuvor umgesehen hatten, standen sieben fest installierte Podeste ordentlich nebeneinander, mit wenigen Zentimetern Abstand zueinander. Sie waren nun mit Tüchern oder Decken ausgelegt. Auf jedem Podest stand ein kleiner, niedriger Tisch, ebenfalls mit einer Decke und einigen Accessoires. Wir waren zu weit weg, um sie genauer sehen zu können. Eine Reihe Plastikstühle war im Bogen und mit reichlich Abstand zu den Podesten aufgebaut. Wir setzten uns dahinter, weiter weg auf die Stufen.
Die Stühle füllten sich, genauso wie die Stufen um uns herum. Auf einer überdachten Bühne, unweit der Podeste, begann jemand zu reden. Wir verstanden natürlich nichts. Doch es wurde auf Englisch wiederholt. Ein paar Kinder trugen eine Art Lied oder Gedicht vor. Dabei fing es an zu tröpfeln. Das Unwetter war weiter im Anmarsch, deshalb machten wir den Abmarsch. Einmal kurz in die falsche Straße gelaufen, kamen wir gerade rechtzeitig im Apartment an, als es begann richtig zu schütten. Es sollte die nächsten zwei Tage regnen.
Einschlafen war nun kein Problem mehr. So verschliefen wir die erste Tageshälfte und taten nichts Besonderes mehr in der zweiten.
Tag 535 (15.02.2024)
24 °C

Dabei war egal, wie eng die Gassen waren. Inder und Rinder stellten sich gleichermaßen in den Weg. Und beide konnte man zur Not auch einfach zur Seite schieben, so wie sie es auch untereinander taten.
Der Tag hatte nichts Interessantes für dieses Tagebuch zu bieten. Beim Blick aus dem Fenster sahen wir in einen kleinen Park. Er war täglich gut besucht. Vormittags lagen mehrere Personen einzeln oder in kleinen Gruppen und sonnten sich oder schliefen sogar. Sie hatten teilweise was von Obdachlosen, wie wir sie aus Deutschland kannten. Nachmittags spielten Kinder Cricket. Rechts verlief eine Straße. An seiner Straßenseite, der Ecke am Park, schien die offizielle Müllsammelstelle zu sein. Das wussten natürlich auch die Hunde und Rinder. Sie durchwühlten ihn und zogen schließlich langsam weiter. Eine richtige Abholung hatten wir bis dahin allerdings noch nicht mitbekommen. Da wollten wir in den verbleibenden Tagen drauf achten.
Tag 536 (16.02.2024)
27 °C

Etwas Kunst war überall zu sehen. Vornehmlich ging es um die Gottheiten. Es gab sie als Grafiti, Pinselmalerei, Fliesenbilder, Drucke, Stickereien und Kreidezeichnungen.
Wir mussten und wollten länger im Apartment bleiben. Mit der Verlängerung verbanden wir gleich noch einen kleinen Reinigungsservice für frische Bettwäsche und einmal fegen im Wohnzimmer. Alles Weitere war aus unserer Sicht übertrieben, irritierte den jungen Angestellten allerdings ein wenig. Nach dem Verlust zweier Kleidungsstücke im Hostel in Delhi trauten wir uns, erneut Wäsche abzugeben. Das war damals einfach Pech und würde schon gut gehen ... 😬
Das Abendessen kam dieses Mal von Biryani Queen. Hyderabadi vegetable Biryani und smoky chicken tikka Biryani boneless, das uns allerdings viel viel viel zu scharf war. Wir aßen nur ein kleines bisschen und stellten den Rest in den Kühlschrank. Wir wollten am nächsten Tag versuchen, es zu verschenken.
Tag 537 (17.02.2024)
26 °C

Beim Thali werden viele verschiedene Speisen in kleinen Portionen aufgetischt. Es gibt allerdings unendlich Nachschlag bei allem, was man möchte.

Wir liebten Momos. Es gab sie mit verschiedenen Füllungen, Saucen, Marinaden, gedämpft, gebraten und frittiert.
Ein Geldautomat (ATM) bedankte sich bei uns für unsere Inanspruchnahme seiner Dienste. Bei unserem Bankinstitut wurde die vermeintliche Abhebung auch sofort vorgemerkt. Aber zum Glück eben nur vorgemerkt. Denn Scheine vermochte der Automat uns nicht rauszugeben. Ärgerlich! 😕 Falls es in den nächsten zwei Werktagen wirklich abgebucht werden sollte, stellten wir uns die Wiederbeschaffung ätzend vor. Aber wird schon gut gehen! Oder? 😉
In dem Bad mit Fenster gab es ein mehr als daumendickes Loch in der Decke nahe dem Fenster. Wir hatten wieder ein Haustier. Der kleine beige Gecko zeigte sich Nik in voller Pracht. Als Verena dazukam, war er bereits im Loch verschwunden. 😩 Menno! Etwas später sah sie zumindest ein kleines Stück des Mauls und ein Auge im Schatten des Loches. 🥰
Tag 538 (18.02.2024)
28 °C
Zum Sonnenuntergang ging es an den Assi Ghat. Doch dort war es uns allerdings zu voll. Wenige Meter weiter links war ein kleinerer Platz mit weniger Podesten und weniger Zuschauern. Es war alles so viel voller am Ufer des Ganges als bei der Zeremonie zum Sonnenaufgang. Und was auf Dauer richtig nervte, waren die vielen Aufnahmen, die von uns gemacht wurden. Ständig zückte jemand in unserer Nähe sitzend oder stehend sein Smartphone und filmte uns oder wir waren plötzlich in einem Videoanruf mit irgendwelchen Leuten, die uns aus dem Smartphone heraus anstarrten, weil wir über die Frontkamera gezeigt wurden. Manchmal lächelten wir, manchmal schauten wir gezielt weg oder hielten die Hand vor das Gesicht.
Um das sogenannte Aarti durchzuführen, stand auf jedem Podest ein junger Mann. Es müssen Religionsgelehrte, Pandits genannt, gewesen sein. Die Robe war bei allen identisch. Zur Eröffnung wurde in ein Muschelhorn, die Konche, geblasen. Lieder schnarrten aus den Lautsprechern. Räucherstäbchen wurden synchron in Richtung Ganges geschwenkt und das in die anderen drei Himmelsrichtungen wiederholt. Es folgten Blütenblätter und Feuerschalen, mit jeweils unterschiedlichen Bewegungsmustern, aber gleichen Wiederholungen zu allen Seiten. Bei einem Gebet stimmten die Zuschauer im Chor mit kurzen Rufen ein. Das Ritual selbst war ganz nett, wirkte allerdings mehr wie eine Show und wenig spirituell. Die Pandits schauten sich mehr im Publikum um, als dass sie aussahen, als würden sie in Trance verfallen. Als es fast vorbei war, gingen Männer herum und kassierten. Es war anscheinend sowas wie eine Spende. Was blieb, war ein Unterhaltungsprogramm für die Massen, eine Show aus Blumen und Feuer. Danach gingen wir an den Podesten vorbei, um sie von der anderen Seite, vom Strand aus, anschauen zu können. Die Zuschauer stellten sich an, um von den jungen Männern auf den Podesten kleine Gaben zu erhalten. Es dauerte ein paar Minuten, aber dann fiel uns auf, dass sich die Leute dort doch tatsächlich mal „ordentlich“ hintereinander weg aufstellen konnten. Verrückt! 🤭Es ist gemein, aber das hatten wir ihnen auf keinen Fall zugetraut, bei allem, was wir bisher so mitbekommen und erlebt hatten.
Zwischen ihnen bewegte sich ein grauweißes Buckelrind (Zebu). Die Kuh sah gepflegt aus. Von einigen wurde sie zaghaft berührt und sogar richtig gekrault. Auf dem Wasser waren leider nur sehr spärlich Feueropfer, also kleine Lichterschiffchen, zu sehen. Dafür stiegen ein paar Himmelslaternen (Kongming-Laternen, Glückslaternen, Wunschlaternen, Himmelskerzen) auf. Das ist ein Papierlampion, oben geschlossen, unten offen, mit einer kleinen Feuerquelle mittig in der unteren Öffnung. Das Feuer wird entzündet, die Luft im Inneren des Lampion erhitzt sich und erzeugt einen Auftrieb. Die Leichtbauweise ermöglicht den Aufstieg des Lampions. Auf das Papier können Wünsche und Gebete geschrieben werden. Sie wurden vor 2000 Jahren für die Kommunikation des chinesischen Militärs entwickelt.
Nach dem Abendessen kamen wir wieder an einem der Hochzeitsumzüge vorbei. Wir blieben stehen und betrachteten das Spektakel mal etwas genauer. Unsere Hüften schwangen dabei zur lauten Musik. Der Text dazu sprengte hier bedauerlicherweise den Rahmen und wurde in den Folgetag verschoben.