Tourwoche
Tag 497 (08.01.2024)
20 °C

Unsere Räder wurden ungefragt abgedeckt, was wir sehr begrüßten. Von der Straße aus konnte man sie hinter zwei massiven, aber nicht blickdichten Toren sehen. Es gab Gastgeber, die sich um unsere Räder sorgten, und es gab welche, die es für unseren Geschmack manchmal echt zu locker nahmen. 🫣

Unsere Stammbäckerei, in der es auch indische Burger und Frittiertes zu kaufen gab. Eine Bäckerei, die eben manchmal nach Pommesbude roch. Hihi! 😅
Da wir nur mit unseren Aufgabenlisten beschäftigt waren, erzählen wir hier ausführlich über unseren Besuch im Tempelkomplex Gurudwara Bangla Sahib in Delhi, wofür vor genau einem Monat kein Platz mehr war. Ein Gurudwara ist ein Tempel der Glaubensgemeinschaft der Sikh. Es bedeutet „Tor zum Guru“. Sie dürfen von jedem betreten werden. Sowas wie Alter, Religion, gesellschaftlicher Stand, Nationalität, Geschlecht und Hautfarbe sind irrelevant. Respekt vor dem Glauben und das Einhalten von wenigen Grundregeln zum Schutz der Anlage waren der Eintrittspreis.
Shiva, unser Rikschafahrer in Delhi, fuhr in die Tiefgarage und führte uns über das Gelände. Zuerst wurden die Schuhe und wahlweise auch die Socken ausgezogen. Shiva bedeckte unsere Köpfe, indem er uns ausliegende, orange Tuchstücke umband. Dann hieß es Hände waschen. Wer wollte, konnte sich auch die Füße waschen. Der Boden und die Gebäude waren aus weißem Marmor. Das war für empfindliche Persönchen etwas frisch an den Füßen. Und manchmal etwas klebrig ...
Es ging eine kurze Treppe hinauf zu einer Plattform. Wir standen vor dem riesigen Tempel mit seiner großen, goldenen Kuppel. Rechts waren ein Wasserbecken und ein kleiner Stand zu sehen, an dem den anstehenden Leuten etwas Essbares in die Hand gestreut wurde. Links war ein ähnlicher Stand mit einer Schlange zu erkennen und ein offener Durchgang zu weiteren Gebäuden mit viel Gewusel. Doch jetzt standen wir an einem Fahnenmast ohne Fahne. Er war viele Meter hoch und komplett von orangem Stoff umwickelt. Einmal die Woche (vielleicht war es der Samstag) wurde der Stoff erneuert, indem jemand bis zur Spitze hinauf kletterte. Keine Ahnung, wie die das machen. Aber anscheinend nicht mit einem Kran. Und der alte Stoff wurde dann unter anderem in kleinere Stücke zerrissen, womit sich die Touristen wie wir ein Kopftuch binden. In der Nähe vom Fahnenmast standen auch zwei große Behälter mit andersfarbigen Stoffteilen. Denn nicht jeder dort lief mit einem orangen Kopftuch herum. Ein paar Jugendliche durchstöberten die Behälter und freuten sich anscheinend, wenn sie etwas Passendes gefunden hatten.
Im Tempel waren Aufnahmen jeglicher Art verboten. Unsere Füße berührten Teppiche, die den weißen Marmor bedeckten. Überall war plötzlich Gold zu sehen. Auf einem Marmorpodest stand ein kleiner, aber massiver und komplett goldener Pavillon. Darunter lag etwas in Tüchern gehüllt. Drumherum saßen Geistliche. Es gab einfach abgegrenzte Bereiche, in denen ein paar Menschen auf dem Boden saßen. Einige schienen zu meditieren oder zu beten. Wir befanden uns in der Hauptgebetshalle. Direkt am Podest schien der Bereich für die Männer zu sein, dann kam ein Durchgang, und dahinter der Bereich für die Frauen. Der Durchgang war für das Umrunden des Altares im Uhrzeigersinn. Auf der anderen Seite vom Podest war der für uns gesperrte Zugang zu dem heiligsten Buch der Sikh, dem „Guru Granth Sahib“, das abgedeckt unter dem Pavillon auf einem Altar lag. Während wir im Tempel waren, wurde leider nicht aus dem Buch vorgetragen. Das soll sehr schön klingen.
Ein paar Meter vom Altar entfernt gab es links neben dem Ausgang ein Zimmer mit einem großen Fenster, um hineinschauen zu können. Ein kleines Himmelbett mit vielen Tüchern, Decken und Teppichen war zu sehen. Es ist das Schlafzimmer des ewigen Gurus, also des Buches! Es gab genau zehn indische Gurus. Der zehnte und letzte Guru vereinte die gesammelten Lehren der zehn menschlichen Gurus in diesem Buch und erklärte es zu seinem Nachfolger, dem ewigen Guru. Das Buch liegt tagsüber auf dem Altar, von einem Tuch abgedeckt, wenn gerade nicht daraus vorgetragen wird. Abends wird es in eine spezielle Kiste gepackt, in der es, wie auf einer Sänfte, ins Schlafzimmer gebracht wird. Das Schlafzimmer wird TÄGLICH mit neuen Tüchern, Decken und Teppichen ausgelegt. Die „benutzten“ und nun heiligen Textilien werden verpackt und an andere Tempel gegeben. In der Ecke waren bereits die neuen Decken zu sehen. Frühmorgens wird der ewige Guru geweckt und zurück auf den Altar gebracht. Jeder dieser Schritte wird dabei mehr oder weniger zeremoniell begleitet.
Fortsetzung folgt im nächsten Tagebucheintrag …
Tag 498 (09.01.2024)
13 °C
Fortsetzung vom Vortag:
Als Nächstes bat uns Shiva zum großen Wasserbecken „Sarovar“. Man kann es umrunden und Gläubige darin baden, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen. Für Frauen gibt es wohl ein extra Häuschen dafür. Wir sahen niemanden baden, aber konnten die nicht gerade kleinen Fische im Uferbereich bewundern.
An dem kleinen Stand neben dem Wasserbecken sollten wir unsere Hände für die Speise „Prasad“ öffnen. Dabei sind beide Hände übereinander zu legen. Es ist ein bräunlicher, formbarer Brei aus Mehl, Zucker und Butterschmalz (Ghee). Er gilt als ein vom Guru gesegnetes Geschenk. Es gab noch eine weitere, kleine Ausgabe, in der es eine Art Suppe mit etwas Brotähnlichem zu geben schien. Und natürlich darf, wie in wohl jeder Religion, nicht das geheiligte Wasser fehlen.
Als Letztes folgten wir unserem Freund Shiva in das Gebäude links vom Tempel, wo bei unserem Eintreffen ordentlich Gewusel zu sehen war. Wir betraten die riesige Langar Halle. An diesem ganz besonderen Ort wird täglich für mehrere 10.000 Menschen gekocht. Die Tradition der freien und kostenlosen Küche geht bereits auf den Gründer der Sikh zurück. In der Halle lagen, mit etwas Abstand zueinander, extrem lange Teppiche aus. Es war gerade nichts los und die Teppiche wurden eingerollt, um den Boden zu wischen. Denn auf dem Teppich wurde gesessen, während auf dem Boden dazwischen die Tabletts standen. Da ging eben auch mal was daneben. Wir sollten auf der Metallbank an einer Wandseite Platz nehmen. Man reichte uns silbrige Tabletts mit mehreren Vertiefungen und einem Löffel. Ein Mann mit einem Metalleimer stellte sich vor uns und schöpfte aus ihm mit einer Kelle Linsensuppe (Dal) auf unser Tablett. In eine andere Vertiefung kam Brot (Roti). Es gab so oft Nachschlag, wie man wollte. Zu den Hauptmahlzeiten gibt es mehrere, ausschließlich vegetarische Gerichte. Dann ist es dort auch sicher immer proppenvoll.
Kommen wir zum letzten Akt. Shiva erzählte uns, dass die Küche von Ehrenamtlichen betrieben wird. Sie helfen von ein paar Stunden bis zu mehreren Wochen oder gar Monaten und tun somit auch gleich was für ihr Karmakonto. Es gab sogar noch eine Führung hinter die Küchenkulissen. Und ja, wir waren dabei die gesamte Zeit barfuß unterwegs. Deshalb wurde es an dieser Stelle manchmal doch etwas klebriger. Einige der Helfer saßen in einem Raum im Kreis auf den Bodenfliesen und aßen, während sie uns beim Vorbeigehen anlächelten. Es folgten offene Räume mit Kochtöpfen, größer als eine durchschnittliche Badewanne in Deutschland. Die nächste Mahlzeit wurde bereits an mehreren Stellen zubereitet. Beeindruckend!
In jedem Gurudwara sind Reisende willkommen, bekommen kostenfrei einen Schlafplatz und etwas zu Essen. Deshalb, und weil sie überall zu finden sind, werden sie unter den Radreisenden empfohlen. Ihre Atmosphäre macht sie zu besonderen Erlebnissen und ist einer der perfekten Orte, um sich mit anderen Reisenden, aber vor allem mit Einheimischen austauschen zu können. Zum Abschied von diesem wundersam schönen Ort war die Sonne gerade am Untergehen und tauchte das ganze Weiß und Gold mit seinen Lichtern und Kerzen in eine dunkle und doch schimmernde Atmosphäre.
Verena dachte immer, Gurus sind Menschen, die sich voll und ganz dem Hinduismus verschrieben haben. Es ist ein Ehrentitel für hinduistische Mentoren, die anderen auf ihrem spirituellen Weg helfen. Bei den Sikhs gilt dieses Buch als der ewige Guru, weil es das spirituelle Vermächtnis der zehn Gurus aus der Entstehungszeit des Sikhismus ist. Mit dem gewaltsamen Tod des zehnten und letzten menschlichen Sikh-Gurus wurde das Buch 1708 zum ewigen Guru.
Tag 499 (10.01.2024)
17 °C

Egal, wo wir waren, mussten wir damit rechnen, angesprochen zu werden. Einige machten ungefragt Selfies und Videos, die meisten fragten vorher wenigstens. Und eine, zum Glück sehr geringe Anzahl, war bei den Selfies sehr bestimmend und packten auch mal etwas grober zu oder kamen uns definitiv zu nahe. Wie halten das bitte Promis aus? 😆

Es war auch egal, ob wir gerade standen, saßen oder sogar fuhren. Und sobald ein Fahrzeug neben uns stand, dauerte es nicht lang, bis weitere Fahrzeuge hielten.
Wir sind bisher nur wenig durch Indien gefahren, aber diese schiere Masse an Menschen regte uns doch etwas an, mal in den Statistiken zu schmökern, zumal Indien im April 2023 China den Titel als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgenommen hatte. Da es von diesem Tag sonst wieder nichts zu berichten gab, können wir das an dieser Stelle festhalten. Wer weiß, wie die Statistik in fünf oder gar 25 Jahren aussieht? Wer Zahlen und Vergleiche mag, wird hier hoffentlich auf seine Kosten kommen. Die Zahlen in den eckigen Klammern [ ] sind für Deutschland. Alle Angaben scheinen aus den Jahren 2022 und 2023 zu stammen. Ihre Richtigkeit können wir nicht überprüfen. Es gibt für alles eigentlich auch Ranglisten. Sie weichen je nach Website allerdings voneinander ab. Wusstest du, dass man sich nicht einmal einig darüber ist, wie viele Länder unsere Welt hat?
Gesamtfläche von Land und Wasser: über 3,28 Millionen km² [keine 0,36 Millionen km²]
Koordinaten: 20 00 N, 77 00 E [51 00 N, 9 00 E]
Ausdehnung Luftlinie Nord nach Süd: 3.214 km [876 km]
Ausdehnung Luftlinie West nach Ost: 2.933 km [640 km]
höchster Punkt: Kanchenjunga 8,586 m [Zugspitze 2,963 m]
niedrigster Punkt: Indischer Ozean 0 m [Neuendorf bei Wilster -3,5 m]
Einwohner: 1.428,6 Millionen [84,7 Millionen]
Bevölkerungsdichte: 431 Einwohner pro km² [237 Einwohner pro km²]
Aufteilung der Bundesrepublik: 28 Bundesstaaten + 8 Unionsterritorien [16 Bundesländer]
die zwei größten Städte: Mumbai mit über 18 Millionen & die Hauptstadt Neu-Delhi mit über 16 Millionen Einwohnern [Hauptstadt Berlin mit rund 3,8 Millionen & Hamburg mit rund 1,9 Millionen Einwohnern]
jährlicher Niederschlag: 1 cm im Mittel, mancherorts über 250 cm [0,79 cm im Mittel, 2023 sogar 0,958 cm]
Zeitzone: UTC +5:30, MEZ +4:30 [UTC +1, MEZ beziehungsweise UTC +2, MESZ von März bis Oktober]
Durchschnittsalter (Median) in Jahren: 29,5 gesamt, 28,8 bei Männern, 30,2 bei Frauen [46,7 gesamt, 45,4 bei Männern, 48,2 bei Frauen]
Bevölkerungswachstum: 0,7 % [-0,12 %]
Geburtenrate (Geburten je 1.000 Einwohner): 16,5 [9]
Sterberate (Tote je 1.000 Einwohner): 9,7 [12]
Kindersterblichkeit (Todesfälle je 1.000 Lebendgeburten): 30 [3]
Fertilitätsrate (geborene Kinder je Frau): 2,1 [1,6]
Lebenserwartung nach der Geburt in Jahren: 67,7 gesamt, 66 bei Männern, 69,6 bei Frauen [81,7 gesamt, 79,4 bei Männern, 84,2 bei Frauen]
Das Kniffligste kommt zum Schluss. Mit der Altersstruktur sind die Unterschiede in einigen oben genannten Werten vielleicht etwas besser nachvollziehbar.
0-14 Jahre: 24,8 % [14 %]
15-64 Jahre: 68,4 % [63 %]
65 Jahre und älter: 6,8 % [23 %]
Wer sich weitere Zahlen anschauen oder selbst mal vergleichen möchte, dem können wir http://Laenderdaten.info empfehlen. Wem Englisch nichts ausmacht, kann sich auf The World Factbook austoben. Dort sind die Altersstrukturen grafisch detaillierter abgebildet.
Tag 500 (11.01.2024)
18 °C
Es war Tag 500 unseres Abenteuers. Und was kann es da schöneres geben, als sich den Taj Mahal anzuschauen? Und das Wetter meinte es gut mit uns.
Der Taj Mahal gehört zu den berühmtesten, architektonischen Wundern. Es hat eine traurige Legende, die seiner Berühmtheit sicher zuträglich ist. Im 17. Jahrhundert verlor der Mogulkaiser Shah Jahan seine dritte Frau, die als seine Seelenverwandte galt. Mumtaz Mahal war eine muslimische, persische Prinzessin, die bei der Geburt ihres 13. Kindes auf einem Kriegszug verstarb. Er hatte ihr mehrere Versprechen gegeben. Unter anderem, ihre Grabesstätte Taj Mahal zu errichten, das zu seinem berühmtesten Monument wurde.
Um hinter die meterhohe, rote Sandsteinmauer zu gelangen, die den Taj-Komplex in drei Himmelsrichtungen mit drei Toren umschließt, mussten wir erst durch eine Sicherheitskontrolle und gelangten auf einen größeren Vorhof, dem Jilaukhana. Schon früher war es ein Sammelplatz für die Besucher, zum Beispiel zu den Feierlichkeiten des Todestages von Mumtaz Mahal. Denn Frauen, die bei der Geburt eines Kindes starben, wurden als Märtyrerinnen verehrt. Dort stiegen die Besucher dann von ihren Elefanten und Pferden, um durch das große Tor Darwaza-I-Rauza in den Trauergarten gehen zu können. Dieses Tor ist ein ziemlich großes Torhaus. Und trotzdem ist es ein Nadelöhr. Denn im Haus lichtgeschützt stehend, wirkt der zweite Torbogen wie ein dunkler Rahmen für den nun sichtbaren und strahlenden Taj Mahal.
Im 18 Hektar großen Trauergarten zwischen Torhaus und Taj Mahal befinden sich unter anderem viel Rasenfläche für eine freie Sicht, schattenspendende Bäume, einige Bänke und mehrere Springbrunnen. Wir ließen uns viel Zeit auf dem Weg zum immer größer werdenden Taj Mahal. Links vom Taj liegt eine Moschee. Rechts liegt die baugleiche Mihma Khana, ein Gebäude für Feierlichkeiten und Gäste. Alle drei Gebäude liegen auf einem verzierten Sockel, dem Plinth, der aus dem weit verbreiteten roten Sandstein gebaut ist. Darauf umkreisten wir das Mausoleum. Hinter der Plattform gab es keine weitere Mauer (vierte Himmelsrichtung, Norden). Die Plattform selbst bildet eine Art Mauer mit Flusspromenade (Chabutra) inklusive tollem Blick über den Fluss Yamuna. Eine Menge Raubvögel kreisten am Himmel. Wir versuchten einige Wasservögel besser zu erkennen. Auf der anderen Seite des Flusses standen Menschen vor und hinter einem Garten oder Park mit einer größeren Freifläche, die wir allerdings nicht genauer erkennen konnten.
Die weiße Marmorplattform des Mausoleums ist quadratisch, mit vier Minaretten in den Ecken und darf nicht mit Schuhen betreten werden. In der Mitte erhebt sich das Mausoleum mit fünf runden Kuppeln: vier kleinen in den Ecken und einer großen im Zentrum, dem Dom, auch Zwiebelkuppel genannt. Eben alles symmetrisch. Bevor wir das Mausoleum betreten konnten, mussten wir uns einreihen. Die einzige Treppe zur Plattform liegt mittig an der Südseite, also zum Trauergarten hin. Dort ging es für uns nach links weg an der Kante entlang, vorbei am Minarett und weiter die halbe Westkante entlang. Die Schlange bewegte sich angesichts der Wärme und Sonneneinstrahlung etwas langsam, dadurch gab es aber wiederum genug Zeit, um in Ruhe den Blick über das Gelände und das nun sehr nahe Mausoleum schweifen zu lassen. Mit jedem Meter konnten wir die feinen Verzierungen in den Wänden aus verschiedensten Edelsteinen und Muscheln besser erkennen. Und ja, Verena konnte sich das verbotene Anfassen wieder nicht verkneifen. Tschuldigung! 😔 Es ist das eine, diese vielen Gesteinsarten mit ihren tollen natürlichen Farben und Farbverläufen zu sehen. Verena ist eben auch neugierig, wie sich diese „Farben“ anfühlen.
Wir betraten ohne Gedränge das Mausoleum durch das westliche Tor. Es ist ebenfalls quadratisch, allerdings mit abgeschrägten Ecken, also ein ungleiches Achteck. Die Hauptkammer ist eine Kuppelhalle, ein perfektes Achteck und beherbergt ein ebenfalls achteckiges Steingitter (Jali) mit zwei sich gegenüberliegenden Torbögen. Das Steingitter ist durchbrochen mit filigransten Schnitzereien. Und in seiner Mitte steht das Grab von Mumtaz. Daneben das von ihrem Mann Shah Jahan. Seines ist geringfügig höher und wurde nachträglich eingefügt, wodurch sowohl die Symmetrie des Raumes als auch die der kunstvollen Muster, ausgehend von Mumtaz Grab, unterbrochen wird. Die Gräber sind allerdings nur Kenotaphen (Grabmale, Scheingräber). Denn genau unter ihnen stehen ähnliche Kenotaphen in der unteren Grabkammer, eine Art Krypta, die die eigentlichen Gräber bedecken.
Der Weg führte am Steingitter außen herum. Auf dem Weg aus dem Mausoleum heraus, ging es noch durch einige der sehr kleinen Räume, die die achteckige Kuppelhalle in zwei Stockwerken umgeben. Zurück im Trauergarten fanden wir ein schattiges und gemütliches Plätzchen seitlich vom Plinth. Dort ließen wir die Zeit vergehen, beobachteten das menschliche und tierische Treiben, ließen alles noch einmal auf uns wirken, und warteten auf die sich senkende Sonne. Durch den weißen Marmor soll sich, abhängig vom Sonnenstand, die Farbe des Taj Mahal eindrucksvoll verändern. Nach Sonnenuntergang ist das Taj Mahal geschlossen. Es sei denn, es ist gerade Vollmond. Dieser eine Tag im Monat ist auf der Homepage gelistet. Der Taj Mahal im Mondschein versetzt einen sicher noch mehr in die Geschichten aus 1001 Nacht.
Tag 501 (12.01.2024)
22 °C

Auf dem Vorhof der Freitagsmoschee Jami Masjid. Links sieht man das Eingangsportal zur Moscheehalle, rechts das Mausoleum von Islam Khan I und dazwischen sticht in Weiß das Mausoleum von Scheich Salim Chishti hervor.
Wir wollten uns von Kamal in die 40 km entfernte Stadt Fatehpur Sikri fahren lassen. Harsha sah uns ungläubig an. Es ist ein weiter Weg und da fährt man normalerweise mit einem Auto hin. Wir hatten allerdings genug Zeit und kein Problem so lange in seiner Rikscha zu sitzen. Außerdem waren wir dadurch nicht so abgekapselt von unserer Umgebung. Wir hatten genug Kleidung bei, falls uns frisch werden sollte. Kein Problem! Und Kamal freute sich natürlich über einen weiteren Tagesjob.
Für kurze Zeit war Fatehpur Sikri die Hauptstadt des Mogulreiches von Akbar I und wurde wegen Wassermangels aufgegeben. Es ist ein riesiger Komplex, eingefasst von elf Kilometern Festungsmauer mit zahlreichen Toren. Nachdem uns Kamal einen Guide besorgt hatte, ging es zu viert zu einem großen Parkplatz. Verbotene Gegenstände wie Tabak, Getränke, Feuerzeuge, Lebensmittel und Stative blieben in der Rikscha, bewacht von Kamal. Ein Bus fuhr uns in den Komplex des Kaiserpalastes. Die Straße war gesäumt von den Mauerresten der Stallungen für die Soldaten und ihre Pferde. Der Bus stoppte vor dem Ticketschalter. Wir betraten einen großen Platz, der früher für öffentliche Feiern und Gebete benutzt wurde. Eine durchgehend niedrige Hecke verhinderte das Betreten der damaligen Freifläche, die nun von englischem Rasen bedeckt war. An der gegenüberliegenden Mauer stand der Kaiserthron, geschützt in einem Pavillon, dem Dawin-I-Am. Einen Durchgang weiter war der Boden lückenlos mit Steinplatten ausgelegt und es gab mehrere, kleinere Gebäude zu besichtigen.
Rechts befindet sich ein zweistöckiges Gebäude, das Diwan-I-Khas, eine Halle für private Audienzen. In der Mitte des Erdgeschosses steht eine massive Säule mit feinsten Schnitzereien. Die endet als Boden des zweiten Stockwerkes, das aus einer Art innenliegenden und vollständig umlaufenden Balkon bestand, mit einer Brücke in jeder Ecke, auf die Säule zulaufend. Es wird angenommen, dass Akbars Thron auf der Säule stand und jede Ecke einem Ministerium zugewiesen war.
Auf einer großen Freifläche zwischen den vielen Gebäuden stand ein kleiner Steintisch. In jede Himmelsrichtung gingen von ihm im Boden eingearbeitete Markierungen weg. Es war ein Spiel, bei dem die Menschen selbst die Spielfiguren waren. Uns erinnerte es erst an Schach, hatte dafür allerdings zu wenig Felder. Es nennt sich Pachisi und wird heute noch in Indien gespielt. In Europa entwickelten sich viele verschiedene Spiele daraus. Das bekannteste ist Ludo beziehungsweise Mensch-Ärgere-Dich-Nicht.
Drumherum waren noch so viel mehr Gebäude, unter anderem das Haus der türkischen Sultana Anup Talao, dem Finanzministerium Ankh Michauli, der Windpalast Hawa Mahal und die Privaträume Akbars (Schlafkammer, Ruhebereich, Bibliothek) Daulat khana-I-khas. Die Privaträume waren mit dem Haus der türkischen Sultana, dem Panch Mahal, dem Mariam-Haus und dem Palast von Jodha Bai durch Gänge verbunden. Mariam uz-Zamani alias Jodha Bai war eine Hinduprinzessin und wurde Akbars Hauptfrau. Ihr Palast war das wichtigste und größte Gebäude.
Die größte Anlage vom Palast ist die Freitagsmoschee Jami Masjid. Sie ist sogar eine der größten Indiens. Durch die wie ein Fetisch wirkende Selfieflut im Internet ist ihr Südtor Buland Darwaza relativ bekannt, wenn auch nicht namentlich. Es ist das höchste und beliebteste Tor Indiens. Ein durch sein weißes Marmor hervorstechendes Gebäude ist das Mausoleum von Salim Chistish. Dort war das Fotografieren verboten. Dann fiel allerdings der Satz „Money is everything!“, also Geld ist alles. Unser Guide bat um ein paar Rupien (die kleinsten, die wir hatten), gab sie dem aufpassenden Priester und ließ sich unser Handy für Selfies geben. Wir wollten nicht, zeigten und sagten es allerdings nicht mit genug Inbrunst. Da waren die Fotos auch schon geschossen. Noch einmal mit einem heiligen Puschel vom Priester den Kopf berührend gesegnet worden und flink wieder raus. Boah war das unangenehm! 😐
Im Mausoleum und drumherum gab es unzählige Gräber beziehungsweise Grabmäler, zwischen denen man sich frei bewegen konnte. Aus Respekt den Toten gegenüber SOLLTE man Stoffe kaufen, die dann über die Gräber gelegt werden. Ihre Erlöse gehen jedoch nicht, wie vom Verkäufer erklärt, an Hilfsorganisationen, sondern in die eigenen Taschen. Unserem Guide (ob es alle betrifft, wissen wir natürlich nicht) wurde gesagt, dass er uns zu diesem Verkäufer bringen sollte. Er erklärte uns allerdings bereits vorher, dass wir nichts kaufen sollten. Beim Verkäufer selbst musste er sich dann zurückhalten beziehungsweise den Verkäufer dezent unterstützen. Denn wenn er sich erkennbar nicht an diese Vorgaben hielt, würde er nicht mehr als Guide eingesetzt. Das wollten wir natürlich auch nicht. Und Nik erfuhr sehr viel später noch, dass die Stoffe nur kurze Zeit auf den Gräbern auslagen, bevor sie wieder eingesammelt und erneut verkauft wurden. 😒
Auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Parkplatz musste unser Guide uns in ein Geschäft bringen, sagte er. Mit seiner Vorwarnung war das für uns ok, wir blieben freundlich und gingen ohne was zu kaufen. Zurück auf dem Parkplatz ging es ans Bezahlen. Nik zahlte weniger als ausgemacht. Denn der Preis auf dem Parkplatz war höher gelistet, als auf einer Preistafel im Komplex. Das und die Erzählungen von unserem Guide wirkte auf Nik wie eine gut strukturierte Betrugsmasche. Sie verstanden nicht, was das sollte. Ausgemacht war was anderes. Nik zeigte das Foto der abweichenden Preisliste am offiziellen Ticketschalter. Die wäre alt. Das entkräftet nicht wirklich den Verdacht einer Betrugsmasche. Als der Guide später noch einmal alleine zu uns kam und leise sprach, dass es wirklich eine alte und ungültige Liste sei, glaubten wir ihm und zahlten den fehlenden Betrag. Wir wollten ihm noch Trinkgeld geben. Das wehrte er ab. Dazu flüsterte er regelrecht, das würden ihm seine umstehenden Kollegen sofort abnehmen. So ein Mist! Wir hätten es ihm in einem einsamen Moment bei der Führung geben sollen. Chance verpasst! Dabei waren wir sehr zufrieden mit ihm und dankbar über den Einblick der Maschen neben der tollen und verständlichen Tour nach unserem Tempo und nach unseren Wünschen. Denn wir wollten nicht überall hin. Wir hatten zum Beispiel genug Moscheen gesehen und wollten unsere Zeit und Aufnahmefähigkeit für andere Dinge nutzen.
Tag 502 (13.01.2024)
24 °C
In einem Ortsteil von Agra, genannt Sikandra, war ein weiteres, bedeutendes Mausoleum der Mogulzeit zu besichtigen. Auf dem flächenmäßig größten Grabmal Indiens befindet sich der Kenotaph (das Scheingrab) von Akbar, einem der zwei bedeutendsten Herrschern in der Geschichte Indiens. Wir hatten am Tag zuvor seine Stadt Fatehpur Sikri angeschaut. Das Besondere für uns an diesem Ort war die Akustik in der unteren Grabkammer. Jemand saß vor dem Eingang, geleitete uns den Gang hinunter in die schmucklose Grabkammer und begann etwas in den Raum zu rufen. Wir bekamen ein wenig Gänsehaut, weil die Akustik und das Echo so faszinierend waren. Ansonsten war dort nur ein einfacher Kenotaph und darüber hing eine große Lampe von der meterhohen Kuppeldecke herunter.
Es gab noch ein kleines, seltsames Gebäude auf dem Gelände, das Kanch Mahal. Es war das Quartier für die Haremsdamen. Das Seltsame daran ist, dass die Front und die ersten zwei Meter an der Seite so schick aussahen, wie viele der indischen Tempel mit ihren Steinschnitzereien. Der Rest und die Rückseite waren frei von Verzierungen. Ob das so sein sollte? Oder ob die Rekonstruktion bis dato nur zum Teil umgesetzt wurde? Keine Ahnung!
Wenige Meter weiter waren Arbeiter an den Überresten des Lodhi Mausoleums beschäftigt. Es war einfach nur eine Ruine, ohne jeden Glanz aus der alten Zeit. Vielleicht erstrahlen beide Gebäude in einigen Jahren wieder vollständig in neuer, alter Pracht.
Als Nächstes wollten wir zum Baby Taj. Es heißt offiziell Itmad-ud-Daula-Mausoleum und ist vergleichsweise klein. Dafür ist es um so schöner. Denn es ist der Vorläufer des berühmten Taj Mahal. Auch hier findet sich die kunstvolle Architektur und die Verwendung von Marmor und Halbedelsteinen wieder. Es liegt zentral in einem kleinen Garten. An der Nordwand hat man einen Blick direkt auf den Fluss Yamuna. Es gab kaum Besucher und die hohen Mauern schirmten den Krach der Stadt ab. Wir genossen die Ruhe und Schönheit des Ortes. Wenn ihr mal in der Nähe seid, schaut unbedingt vorbei! Das Baby Taj ist für Mirza Ghiyas Beg errichtet worden. Er war der Großvater von Mumtaz Mahal, für die das Taj Mahal erbaut wurde.
Von der Flusspromenade des Taj Mahal aus hatten wir bereits einen Eindruck von dem Aussichtspunkt „Taj View Point ADA“ auf der anderen Seite des Flusses Yamuna erhalten. Wir ließen uns von Kamal hinfahren. Die letzten Meter waren kurz verwirrend. Ein riesiges Schild zu einem Garten mit Blick auf den Taj Mahal erschlug uns regelrecht. Genauso wie der Eintrittspreis. Es sah aber nicht so aus, als wenn sich der Preis lohnen würde. Denn wir waren nicht an dem Garten, sondern nur an dem Blick auf den Taj Mahal interessiert. Wir folgten stattdessen dem Weg entlang der Gartenmauer Richtung Flussufer. An seinem Ende gab es ein schlichtes und massives Tor mit einer Kasse und einem Eintritt, der nur ein Bruchteil dessen vom Garten war. Und es war genau der richtige Weg. Denn der ging zwischen Garten und Strand entlang und hatte am Ende einen kleinen, einfachen, gepflasterten Platz mit ein paar großen Sitzbänken und freiem Blick auf den Taj Mahal. Dann hieß es hinsetzen, staunen und die Ruhe mit dem eindrucksvollen Panorama genießen. Nur für einige Aufnahmen standen wir auf und liefen herum.
Auf dem Rückweg bekamen wir etwas Hunger und wollten Bathura essen. Kamal hielt an einem Restaurant. Es hatte einen Garten mit einer einfachen Rasenfläche, auf dem einige Tische und Stühle standen. An einem großen Tisch saß ein ausländisch wirkendes Pärchen, zu dem wir uns setzen konnten. Während eine Schar Gänse schnatternd durch den Garten watschelte, bekamen wir leckeres Essen begleitet von einer netten Unterhaltung mit Viola und Roby. Er hatte sein Handy in der Bahn nach Agra wenige Stunden zuvor liegen lassen. Am Ende halfen ein Restaurantmitarbeiter, ihr Fahrer und unser Fahrer bei diversen Telefonaten. Das Handy war gefunden, lag in einer Polizei- oder Bahnhofsstation und wurde sogar noch extra zu ihnen gefahren. Wow! Das war ein dickes Plus für Indien. So viel Hilfsbereitschaft hatte wirklich niemand erwartet.
An sich waren unsere Köpfe voll vom Sightseeing. Aber wir gingen dann doch noch ins Rote Fort von Agra. Für einen Guide hatten wir allerdings keine Aufnahmefähigkeit mehr. Doch die waren dort etwas anhänglicher und sturer. Oder wir waren einfach zu genervt. Keine Ahnung! Der Bau des Roten Forts in Agra begann unter Akbar dem Großen. Es wurde 1983 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. 1993 wurde ein weiteres seiner Bauwerke aufgenommen, nämlich das Humayun-Mausoleum für seinen Vater. Das hatten wir uns damals in Delhi allerdings nicht angeschaut. Fehlen nur noch Fatehpur Sikri und sein eigenes Mausoleum in der Liste. 😉Das Rote Fort beherbergt eine Vielzahl von Gebäuden, darunter Paläste, Moscheen und Gärten. Zu den bemerkenswertesten Strukturen im Fort gehören der Diwan-i-Am (öffentliche Audienzhalle), der Diwan-i-Khas (private Audienzhalle), der Khas Mahal (privates Palastgebäude) und die Musamman Burj (ein achteckiger Turm mit Blick auf den Yamuna-Fluss).
Tag 503 (14.01.2024)
22 °C
Aber was war das eigentlich für ein Garten beim Taj View? Auf Satellitenfotos sieht man, dass der Grundriss und die Wege des Gartens identisch, mit denen vom Trauergarten des Taj Mahal sind und ihm exakt gegenüber liegen. Die rund wirkenden, gemauerten Überreste in der Mitte vom Südrand des Gartens sind zudem achteckig und genauso groß, wie das Mausoleum des Taj Mahals. Angeblich wollte der Mogulkaiser Shah Jahan einen zweiten, baugleichen Taj für sich erbauen lassen, allerdings mit schwarzem Marmor, gegenüber vom weißen Taj und nur getrennt durch den Fluss. Der heutige Taj Mahal Komplex ist an der Nord-Süd-Linie gespiegelt gebaut. Das Mausoleum liegt am nördlichen Rand und damit nicht, wie sonst üblich, im Zentrum. Der zweite Taj sollte das erste vollständig ab dem Fluss als Ost-West-Linie spiegeln. Was für ein Vorhaben! Doch es wurde nie erbaut. Die Ruinen zeugen allerdings davon, dass der Bau eventuell begonnen wurde. Als Shah Jahan starb, wurde sein nur geringfügig höheres Grab direkt neben das seiner Mumtaz Mahal errichtet. Die Liebe der beiden stand über der perfekten Symmetrie ihrer Baukunst.
Selbst den Taj Mahal hätte es in seinem jetzigen Umfang fast nicht mehr gegeben. Denn er sollte von den Briten in der Kolonialzeit stückweise verramscht werden. Dann wäre es vielleicht wie beim Pergamonaltar in der Türkei geworden. Nur der Unterbau würde noch von seinem ursprünglichen Ort zeugen. Stelle man sich nur einmal vor, der weiße, majestätische Taj Mahal hätte einen schwarzen Zwilling und beide Bauwerke die Zeit irgendwie überlebt ...