Tourwoche
Tag 476 (18.12.2023)
24 °C
Die Tür unseres Hotelzimmers hatte keinen normalen Türschnapper und ging, unverriegelt, immer von alleine auf. Es gab draußen und drinnen jeweils einen Schubriegel. Es würde also immer einer aus- oder eingesperrt sein, wenn nur einer rausgehen sollte. Alternativ schoben wir eine Tasche vor die Tür, damit sie zumindest zu blieb und trotzdem beide unabhängig voneinander rein- oder rauskommen.
Es gab einige Läden, die diverse Weihnachtsdeko verkauften. Girlanden, Plastikbäume, Weihnachtsmützen und wirklich richtig furchtbar schreckliche Masken. Die armen Kinder ... Verena überlegte, ob sie sich eine Girlande für den Sandfloh zulegen sollte, nahm davon dann aber doch Abstand, weil es sich nicht lohnen, Geld kosten und Müll produzieren würde.
Tag 477 (19.12.2023)
24 °C
Seit den staubigen Pisten der Stan-Länder ließen sich einige Reißverschlüsse schlechter bewegen. Mit einer alten, sauberen Zahnbürste und Vaseline wurden sie wieder auf Vordermann gebracht. Soll ja alles noch lange halten.
Nik wollte sich einen Platz mit einer Vielzahl an Sehenswürdigkeiten anschauen gehen. Als Erstes sahen wir die Außenseite des Stadtpalastes. Den Glanz aus der längst vergangenen Blütezeit Alwars konnte man nur noch erahnen. Dahinter kam ein riesiges, rechteckiges Becken, eingefasst in rote Sandsteintreppen. Wir waren uns unsicher, ob das Grün in dem Becken noch so was wie Wasser oder ob es schon komplett ausgetrocknet war. Eine Menge Müll lag darauf und auf den Ufern herum. Ein paar unauffällige Frauen fegten auf den oberen Rängen. Vielleicht war da kein Wasser mehr. Eine große Rückenflosse, die sich langsam durch die grüne Schicht schlängelte, belehrte uns eines Besseren. Es war eine geschlossene Decke an Wasserlinsengewächsen. Der See wurde 1815 zum Speichern von Wasser angelegt und ist heute ein heiliger Badeort samt seiner bebauten Ufer.
Daneben erhebt sich eine zweistöckige, symbolische Gedenkstätte zu Ehren von Maharaja Bakhtawar Singh und seiner Königin Maharani Moosi. Die Säulen des Sockels sind aus rotem Sandstein, der aufgesetzte Pavillon aus weißem Marmor.
Während wir überlegten, ob wir überhaupt zum Pavillon hinaufgehen wollten, sprach uns ein Mann an. Er würde momentan sein Englisch als Guide üben und biete seine Dienste umsonst an. Er durfte gerne mit uns üben. 😄 Dank seiner Informationen war der Ort doch eindrucksvoller als erwartet.
Über den See blickend erkannte man auf dem Berggipfel dahinter ein Fort. Das Kaala Fort war ein Wachturm für Soldaten, die Richtung Delhi sehen konnten. Das dürfte durch den Smog schon lange kein weiter Ausblick mehr sein. An das Fort schloss sich eine lange Mauer an. Angeblich ist es die viertlängste Mauer Asiens. Abends hat man vom Pavillon aus wohl auch die Chance, Stachelschweine und Leoparden in den Bergen sehen zu können.
An einer Stelle im Boden neben dem Pavillon war eine Art Labyrinth eingebaut. Während der Guide uns das darin enthaltene Zeichen der Sikh (Kreuz mit Schenkeln, genannt Swastika) in Kombination mit vier christlichen Kreuzen zeigte, kam eine Affendame auf uns zu. Sie ging sogar ganz entspannt zwischen uns hindurch. Bei Verena griff sie im Vorbeigehen nach der am Arm hängenden Tüte mit Bananen. Zwei der drei Bananen konnte Verena noch „retten“. Die Dame war zu keinem Moment aggressiv. Wir erschreckten nur alle kurz, weil keiner daran gedacht hatte, dass sehr gut sichtbare Bananen Affen anlocken könnten. Upsi! Unser Guide erklärte, dass sich die Affen dort nur dann so verhalten würden, wenn sie richtig Hunger hätten. Die Affendame saß ruhig neben uns. Sie aß die Banane nicht oder nicht ganz, sondern packte sie stückchenweise in ihren Kehlsack. Wir wussten bis dahin nicht, dass einige Affenarten so etwas können. Wie ein Hamster. Sie forderte (freundlich) auch die anderen beiden Bananen ein. Wir leisteten keinen Widerstand. 😄
Mit einer Rikscha ging es ein Stück zurück. Nik brauchte noch eine Hose. Da hatten wir ja mal so gar keine Lust drauf. Seine letzte, lange Hose war seit dem Vortag am Knie eingerissen. Die Männer in einem Shop breiteten eine Hose nach der anderen vor Nik aus. Verena betrachtete das Schauspiel an der Seite sitzend und dachte bei jeder neuen Hose, die sie aus ihrer Verpackung schüttelten und aufschlugen „Nein. Nein. Nein. Vielleicht. Definitiv nicht (stonewashed mit extra Tasche am Bein). Nein. Nein. Oh, vielleicht. Nein. …“. Bei einer Hose fiel der Knopf schon bei der Anprobe ab. Wurde aber direkt am Nachbartresen wieder rangehämmert. Am Ende gab es aber doch noch eine Hose, die passte und ihm gefiel. Hurra! 😊
Wir trennten uns. Verena ging mit dem Einkauf ins Hotel zurück, um dort noch ein paar Dinge erledigen zu können. Nik genoss einen ausgiebigen Service beim Friseur und brachte auf dem Rückweg unser Abendessen mit. Momos natürlich. Pizza, Afghani und Tandoori Momos kannten wir ja schon. Dazu gab es ein Paneer Shawarma Kulcha. Dabei wurde der indische Käse Paneer wie Sharwarma gewürzt und als Füllung im indischen Brot Kulcha serviert.
Tag 478 (20.12.2023)
22 °C

Von Alwar nach Jhankri
54,0 Kilometer | |
204 Minuten |
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320 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Die Route führte am Sariska Nationalpark entlang. An einer Kurve gab es eine größere Freifläche neben der Straße. Languren, Wildschweine und Hirsche trieben sich dort herum. Es schien ein bekannter Futterplatz zu sein. Sie waren uns so nah. Im Hintergrund gab es noch eine Menge Pfauen und anderer Vögel zu beobachten. Verena war richtig gebannt, als einer der Hirsche langsam und ruhig immer näher trat, bis auf eine Armlänge heran. Der nicht hypnotisierte Nik fand das dann allerdings nicht mehr so lustig und wir fuhren weiter. Es ist ja schon toll, Tieren so nah zu sein, aber genau so beginnen auch Youtube-Videos, bei denen man am Ende nur den Kopf schüttelt, weil man sich fragt, was die Leute erwartet haben ... 🤣
Wir konnten nichts ausmachen, wo man auch nur ansatzweise in Ruhe zelten könnte. An einem großen Bauernhof fragte Verena, ob es möglich wäre, bei ihnen auf dem Hof zu zelten. Zwei junge Frauen hatten damit kein Problem. Skeptisch wirkte indes die Großmutter. Sie hatte das letzte Wort. Wir sollten ein Stück zurückfahren zu einer Schule, die gerade geschlossen war. Uns war das große Haus mit der Mauer beim Vorbeifahren schon aufgefallen. Nun standen wir am Hoftor, das einen Spalt offen stand. Der Eingang ins Haus war mit einem Schiebegitter (zweiflügliges Scherengitter) verschlossen. Vor seinen Treppen waren zwei Fahrräder und ein Motorrad abgestellt. Neben dem Haus gab es einen Tank und einen Verschlag, bei dem frisch gewaschene Wäsche zum Trocknen aufgehängt war. Aber es war niemand zu sehen oder zu hören. Wir schoben die Räder durch das Hoftor und rechts entlang der Mauer. Dort gab es eine sandige Fläche mit vereinzelten Bäumen. Es dauerte nicht lange und ein Mann mit ein paar Jungs kam von der Straße auf den Hof gelaufen. Sie sahen uns, kamen aber nicht herüber. Wir waren uns unsicher, ob sie wirklich zum Grundstück gehörten oder wie wir Rumtreiber waren und sich einfach nur mal umschauten. Als der Mann den Wasserschlauch zum Bewässern der Pflanzen umlegte, war es für uns eindeutig. Verena ging auf ihn zu und wurde freundlich begrüßt. Sohan erlaubte uns dort zu zelten. Er bot sogar an, drinnen zu schlafen und etwas von ihrem Essen abzubekommen. Beides wollten wir aus vielen verschiedenen Gründen nicht. Wir freuten uns allerdings, dass wir die Toilette mitbenutzen durften. Sowohl beim Aufbau und dem Einrichten des Zeltes, als auch beim Kochen, schauten uns die Jungs ausdauernd zu. Es war eine Schule, die momentan geschlossen oder nur für den Rest des Tages geschlossen war. So richtig hatten wir es nicht verstanden. Der Mann war Lehrer an der Schule. Irgendwann fiel uns auf, dass auch eine erwachsene Frau und ein Mädchen anwesend waren. Alle zusammen schliefen in dem Gebäude.
Auf einem Motorrad kam ein weiterer Mann angefahren. Dinesh war Englischlehrer einer anderen Schule, wohnte hier im Ort und wurde über unsere Anwesenheit informiert. Er bestand darauf, dass wir ins Haus umziehen. Es war allerdings schon alles fertig aufgebaut und eingerichtet. Und wir wollten weiterhin nicht im Haus schlafen. Er argumentierte mit Kälte, bösen Menschen und schließlich mit wilden Tieren. Doch wir blieben stur. Verena bekam eine Rundtour durch das Haus. Im ersten Obergeschoss gab es eine Art Gebetszimmer und mehrere Klassenzimmer. Die Kinder und die Erwachsenen hatten jeweils ein eigenes Gemeinschaftszimmer. Ihre Betten waren quadratische Holzpodeste, vergleichbar mit einem Taptschan in den Stan-Ländern. Bei den Kindern schienen sich mehrere eines zu teilen. Die Erwachsenen hatten an einer Wandseite ihre Betten nebeneinander, auf der anderen Wandseite standen kleine Tische mit privatem Kram drauf. Im Erdgeschoss beziehungsweise dem Hochparterre waren die Anmeldung, das Büro, die Toiletten und die Küche zu finden.
Dinesh lud uns zu sich nach Hause ein. Einer der Lehrer fuhr los, um uns mit einem Kleinbus abzuholen. Dinesh zeigte uns sein Haus, brachte uns aber zuerst zu seinem Bruder gegenüber. Der wurde für unseren Besuch extra geweckt. Bei seiner Frau schienen sie es ebenfalls versucht zu haben, aber die blieb im Bett - richtig so! 😄 Nach einer kurzen Unterhaltung gingen wir hinüber ans Feuer, wo andere der Familie sich aufwärmten und unterhielten. Wir bekamen ihre Stühle und damit die besten Sitzplätze direkt am Feuer. Leute, es ist echt nett, wenn wir in die Gewohnheiten der Einheimischen eintauchen dürfen, aber es ist uns echt jedes Mal unangenehm, wenn wir merken, dass es auf Kosten anderer geht. Auch das Wissen, dass etwas aus Tradition und Gastfreundschaft stattfindet, macht es nicht einfacher für uns. Das ist echt ein krasser Zwiespalt, den wir da jedes Mal balancieren. Wir wissen, dass andere damit kein Problem haben. Wenn die Leute es anbieten beziehungsweise sagen, dass das kein Problem ist, dass da andere vom wärmenden Feuer weggescheucht werden, damit man selbst den besten Platz bekommt, dann ist das eben so. Wir würden so gerne lieber nur über die Schulter schauen oder zumindest einfach zwischen ihnen sitzen, auf gleicher Augenhöhe mit ihnen sein. Und das Krasse ist dann die andere Seite. Was denken die Leute eigentlich über uns, wie unhöflich wir sind, wenn wir uns bei derartigen Angeboten sträuben? Schwierig! Aber wir glauben auch, dass die jüngere Generation unser Verhalten eher nachvollziehen kann. Ach wer weiß! Wir schweifen ab.
Bevor wir seine Frau und Kinder begrüßten, machten wir noch einen kleinen Abstecher. Zwischen einem alten und einem neuen Gebäude gab es eine wirklich sehr enge Gasse. Dahinter ging es links weg zum Stall. Seine Wasserbüffeldame wurde geweckt und stand auf. Die sind so massig mit ihrem großen Bauch und Kopf und doch so niedrig durch die kurzen Beine. Hinter ihr stand ein junger Wasserbüffel vom Vorjahr. Und dahinter stand das jüngste Familienmitglied, nur wenige Tage alt.
Die Familie von Dinesh musste so lange warten, nun war es endlich so weit. Eine der Frauen hielt sich in Anwesenheit von Dinesh verschleiert. In Indien müssen sich die Frauen verschleiern, damit ihr Onkel nicht ihr Gesicht sehen kann. Das ist Tradition. Jeder Armreif, jeder Farbklecks, jeder Ring kann eine Bedeutung haben. Es gibt Armreife, die symbolisieren, dass der Onkel oder Ehemann noch lebt. Es gibt bei Frauen Markierungen zwischen den Augenbrauen, die sie als verheiratet ausweisen. Dass Verena weder Ohrringe noch Armreife trug, wirkte sehr befremdlich. Als die Frauen ein Selfie mit ihr machen wollten, bot Verena an, dafür ins Zimmer der Frauen und damit weg von Dinesh zu gehen. So konnten wir welche ohne Schleier machen. Da gab es dann noch Chai und ein Fotoalbum zum Durchblättern. Nach einiger Zeit verabschiedete sie sich und suchte Nik. Er war mit Dinesh ein Stockwerk darüber in dessen Arbeitszimmer. Es ist in Indien nicht seltsam, über das Gehalt und andere Dinge zu sprechen, die für uns zu privat sind, um sie mit Fremden zu teilen. Nik bekam eine Steuererklärung gereicht und sie schienen die Aufstellung genau durchzugehen. Dieses Verhalten ist in Indien normal und ein Zeichen, dass Dinesh uns mochte.
Zurück an der Schule machten wir uns bettfertig und holten die letzten Sachen aus den Fahrradtaschen, die wir noch im Zelt brauchten oder bei uns haben wollten. Dann wurde das Gebäude abgeschlossen und wir legten uns im Zelt schlafen.
Tag 479 (21.12.2023)
25 °C

Von Jhankri nach Kukas
57,7 Kilometer | |
188 Minuten |
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280 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Die Nacht war nicht so feuchtkalt wie erwartet, aber schon frisch. Wir wachten mehrmals auf. Von den bösen Menschen und gefährlichen Tieren haben wir zum Glück nicht mitbekommen! 😉 Morgens liefen die Kinder immer wieder um das Zelt herum und riefen leise „Niki, Niki, Niki!“ Als er aufwachte, bekam er das einmal mit, bevor die Kinder in die Schule gerufen wurden. Denn ihr Unterricht begann. Der Gesang der Kinder war bis zum Zelt zu vernehmen. Einige sangen mit voller Inbrunst. Wir vermuteten, dass es religiöse und nationale Lieder waren. Dinesh hielt, auf dem Weg zu seiner Schule, bei uns an, um sich zu verabschieden. Beim Packen unserer Sachen bemerkten wir, dass einige Lehrer und Schüler auf dem Dach waren und uns zuwinkten. Als wir startklar waren, sollten wir zu ihnen hochkommen. Drei Klassen verschiedenen Alters saßen auf Decken, jeder mit einem anderen Buch vor sich. Ihr Ausblick war wunderbar. Wir machten Selfies, drehten Videos und bedankten uns für die Gastfreundschaft und den Einblick, den sie uns gewährten.
Nik hatte den ganzen Tag über nichts gegessen. In einem Ort mussten wir entscheiden, ob wir dort nach einer Unterkunft suchen oder noch die letzten Kilometer bis nach Jaipur fahren wollten. Uns gegenüber war ein Sikhtempel, Gurudwara genannt. Sie werden unter den Radreisenden als Übernachtungsmöglichkeit empfohlen. Doch wir trauten uns nicht zu fragen und wollten doch lieber weiterfahren. In einer Gasse begann Verena die Hotels abzuklappern. Aber bereits das erste war gut genug und preislich ok.
An einem Straßenimbiss aßen wir Samosas und die kleinen Bällchen aus Kirchererbsenmehl, die an gut frittierte Falafel erinnern. Nachdem wir zurück im Hotel feststellen mussten, dass die Klimaanlage im Zimmer nicht heizen konnte, bekam Nik auch noch die Scheißerei. Am Essen konnte es nicht gelegen haben, weil Verena keine Probleme hatte. Wir hofften also, dass es am nächsten Tag wieder vorbei war.
Tag 480 (22.12.2023)
25 °C

Eine wacklige Treppe, die uns auf die Häuserdächer bringen sollte. Für Nik kein großes Problem, Verena musste sich ein wenig überwinden. 😄

Von Kukas nach Jaipur
14,7 Kilometer | |
64 Minuten |
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90 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Die Nacht war ok, der Morgen ordentlich frisch. Nik ging es wieder gut und wir fuhren weiter. In der letzten Ortschaft vor Jaipur, sahen wir unsere ersten Elefanten. Der erste war bunt bemalt, sogar die Zehen strahlten pink. Insgesamt zogen über 20 Tiere an uns vorüber. Jeder hatte eine einfache Holzplattform (Howdah) auf seinem Rücken.
Der Verkehr staute sich am Amber Palace. Das wollten wir uns an einem anderen Tag in Ruhe anschauen. Am davorliegenden Maotasee gab es einen gepflasterten Bereich. Wir parkten die Räder und genossen den Ausblick. Der See hatte so wenig Wasser, dass die Hälfte der Fläche trocken lag. Dort grasten Kühe. Überall am Ufer entlang waren kleine Wasservögel zu beobachten. Ein Schild warnte davor, ins Wasser zu gehen. Dort gab es ein Krokodil. Auf Nachfrage bei den Herrschaften, die auf dem Platz auf Kundschaft warteten und den Verkehr regelten, erzählten sie von einem Krokodil, das in dem Gebäude im See eingeschlossen lebte. Es hilft bei der Regulierung des Fischbestandes im See. Das Gebäude im See ist das Kesar Kyari. Dazu erfahren wir mehr, wenn wir den Palast besichtigen. An einem kleinen Pass gab es eine kleine Aussichtsplattform mit einem diesigen Blick auf Jaipur. Einige Rikschas hielten an und fragten, ob wir ein Taxi brauchten. Sie standen dabei direkt neben unseren dicken Rädern. Seltsame Frage. 🤔
Am Man Sagar See zu unserer Linken hielten wir direkt wieder an, um zwischen Reitkamelen für Touristen stehend einen Blick auf den Wasserpalast Jal Mahal zu bekommen. Der war mehr schlecht als recht. Wir mussten nur ein Stück weiter die Straße entlang fahren. Dort standen die Rikschas aufgereiht vor den Imbisswagen am Straßenrand. Wir fanden keinen Weg für uns zusammen mit den Rädern über die kniehohe Mauer auf die Promenade. Also gingen wir einzeln. An den Souvenirständen vorbei kam man an das Geländer mit einem schönen Blick auf den Wasserpalast. Für den bergigen Hintergrund war es leider zu diesig.
Am Hotel angekommen und nach dem Verstauen der Räder und Taschen starteten wir unseren ersten Spaziergang durch die nähere Umgebung. Wir gingen durch einen bunten Torbogen, bei dem der unterste Meter rekonstruiert war und von einem Mann mit Pinsel gerade neu bemalt wurde. Dahinter gab es einen großen Platz mit vielen, einfach überdachten Tischen. Eine ganze Menge an Herren in Anzug und mit Aktentasche liefen und saßen herum. Sie boten dort ihre Dienste an, aber welche genau? Der Platz war ein Innenhof, umzingelt von einem alten Gebäudekomplex. Als wir auf der anderen Seite wieder hinaus gingen, standen wir am Stadtpalast und dem Jantar Mantar. Da es bereits spät war, gingen wir nicht hinein. Das wollten wir an einem anderen Tag in Ruhe besichtigen. In Vorbereitung auf das Sightseeing tauschten wir die Nummern mit Ali, einem der dort auf Kundschaft wartenden Rikschafahrern.
Niks Route führte zum Isarlat Sargasooli, einem Denkmal und Aussichtsturm, gelegen an einer großen Bazaarstraße. Als wir ihn uns von der Straße aus anschauten, kam ein junger Mann auf uns zu. Der Turm war für heute bereits geschlossen und wir sollten uns das Geld generell sparen. Wir könnten auf der anderen Straßenseite in eine Gasse abbiegen, links eine Metalltreppe hinauf aufs Dach und dort eine fast genauso gute Aussicht auf Jaipur genießen. Das Dach sei nur wenige Meter niedriger als der Turm. Über die rostige und wacklige Wendeltreppe kamen wir auf die Hausdächer. Der Überblick war ok. Aber wir sahen auch einen unversperrten Treppenaufgang, bei dem es noch höher ging. Wir fragten einen Mann, der sich dort herumtrieb. Madan führte uns eine Etage höher. Es war ein toller Ausblick. Im Sonnenuntergang zappelten massenhaft Drachen in der Luft. Madan erzählte, dass alle für einen Wettbewerb am 14. Januar übten. Er lud uns noch in sein Juweliergeschäft ein. Die Wege durch die Gebäude und über die Dächer waren verwirrend. Im Laden zeigte er uns einige Produkte und wir bekamen die unterschiedlichsten Steine erklärt. Wie vorher angekündigt, kauften wir nichts. Das war für ihn ok. Wenn wir in den nächsten Tagen eine wohltätige Textilfabrik besichtigen wollten, sollten wir bei ihm vorbeischauen, damit er unserem Fahrer den Weg dahin erklären konnte.
Wir liefen weiter die große Bazaarstraße entlang. Sie war vollgequetscht mit Läden. An einem fragten wir nach dem Verwendungszweck eines ausliegenden Produktes, das Verena schon öfters gesehen hatte. Eine fingerspitzengroße Wollkugel mit einer gezogenen Spitze. Es war ein Docht für kleine Öllampen. Der Mann verwickelte uns in ein Gespräch. Ihm funkte der junge Mann Subham, der uns das Aussichtsdach empfohlen hatte und plötzlich wieder da war, dazwischen und sah nicht erfreut darüber aus. Wir bedankten uns bei Subham für den tollen Tipp. Irgendwann kamen wir mit beiden auf unser Hotel zu sprechen. Der ältere wollte uns ein billigeres in der Nähe zeigen. Subham begleitete uns. Das erste Hotel war unter Rucksackreisenden bekannt und ausgebucht. Das zweite daneben hatte ein Zimmer frei und der Preis war ok. Als Verena und Nik sich ein Zimmer zeigen ließen, tuschelte der ältere mit ernstem Blick mit dem Rezeptionisten. Das Zimmer sah vielversprechend aus. Wieder unten war der Preis gestiegen. Warum wohl? Verena bezweifelte, dass es nur an dem neuen Rezeptionisten lag. Es wirkte auf sie eher wie ein Aufpreis für die Vermittlung durch den älteren Herren. Ja, das war eine böswillige Unterstellung. Wir werden den genauen Grund aber auch nie erfahren. Vielleicht würden wir am 26. dorthin umziehen. Erst hieß es, wir müssten sofort bezahlen, sonst wäre das Zimmer eventuell bis dahin weg. Wir wollten aber eine Nacht darüber schlafen und wenn dann erst das Geld bringen, falls noch ein Zimmer frei wäre. Das war für den Rezeptionisten dann auch ok. Wir bekamen die Kontaktdaten und sollten uns einfach melden. Der ältere Herr vom Kerzenstand, der nicht seiner war, und der Hotelvermittlung war Verena inzwischen suspekt. Nun drängte er uns, das Juweliergeschäft seines Bruders aufzusuchen. Wir glaubten ihm nichts mehr. Sein Bruder? Da er aber so hilfsbereit war, wenn auch nicht aus reiner Nächstenliebe, folgten wir ihm. Der Tisch lag am Ende voll mit Ohr- und Fingerringen. Als sein vermeintlicher Bruder merkte, dass wir wirklich nichts kauften, verlor sich die freundliche Stimmung ein wenig. Immer dabei war Subham. War er an uns interessiert oder lernte er gerade von den anderen, wie das mit der Touristenvermittlung zum Geldverdienen ablief? Er begleitete uns noch zurück zur großen Bazaarstraße und half uns auf dem Weg dahin bei einem Bäcker etwas Brot und Gebäck aus Blätterteig zu kaufen. Seine Bitte war, dass wir ihm Bescheid geben, wenn wir umziehen oder weiterfahren würden. Er wollte uns dann treffen, um Selfies zu machen. Denn er würde sich auch gerne Fahrräder für ein eigenes Business kaufen. Er wollte sich unsere Räder gerne einmal anschauen.
Tag 481 (23.12.2023)
22 °C
Heute ließen wir uns vom Rikschafahrer Ali, den wir gestern getroffen hatten, Jaipur zeigen. Wir waren viel in der Altstadt unterwegs. Zuerst ging es zum Hawa Mahal, dem Palast der Winde. Es war ein Lustschloss und gilt inzwischen als eines der Hauptsehenswürdigkeiten. Fünf Stockwerke mit zahllosen Balkonen und 953 kleinen, kunstvoll gestalteten und vergitterten Fenstern machen die Fassade zur Straße hin so einzigartig. Die Fenster ermöglichten eine stetige Luftzirkulation und den Haremsdamen, das Treiben der Leute und speziell die Festumzüge auf der Straße zu beobachten, ohne selbst dabei gesehen zu werden.
Im Royal Gaitor sind mehrere Maharajas begraben. Es ist also ein Mausoleum. Es ist in drei aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt, schön anzusehen und nicht überlaufen. Während wir uns dort umsahen, bot unserer Fahrer seine Hilfe einem rumänischen Pärchen an. Sie fanden keine Rikscha und wollte zu einem Spice Shop. Der Spice Shop sollte was ganz Spezielles sein und wir gingen mit hinein. Wir bekamen die bewegende Lebensgeschichte des Inhabers erzählt, er zeigte uns, wie man einen speziellen Tee direkt im Wasserkocher zubereitet und durften an allen möglichen Gewürze schnuppern und probieren. Als die Rumänen begannen ihre Einkaufliste zu finalisieren, war es für uns an der Zeit weiterzufahren. Ali, unserer Fahrer, sollte noch seine Provision für seine Vermittlung organisieren, und dann wollten wir weiter. Denn wir wollten nichts kaufen.
Den Wasserpalast Jal Mahal kannten wir bereits, allerdings wollten wir ihn uns noch einmal zusammen und in Ruhe anschauen. Er wurde im 18. Jahrhundert mitten im See Man Sagar errichtet. Wie auch immer die das damals hinbekommen haben. Von den fünf Stockwerken ist nur das oberste sichtbar. Auf Nachfrage bei Ali, zu einem kleinen Snack, ging er mit uns an einen der Stände an der Prominade, um Bathura (das aufgeblähte, frittierte Brot, das wohl fast alle vom indischen Restaurant kennen) mit Kichererbsen zu essen.
Wir fragten Ali, ob er die Textilfabrik kennt, die uns Madan empfohlen hatte. Er meinte ja, wir gehen im Nachhinein allerdings davon aus, dass es doch eine andere war, nämlich wieder eine Touri-Fabrik. Wir konnten zuschauen, wie ein meterlanger Stoff stufenweise und Stück für Stück mit verschiedenen Stempeln für verschiedene Farben von Hand bedruckt wurde. Danach ging es in den Verkaufsraum. Ein paar Tücher und Decken verschiedenster Stoffe, Qualitäten, Größen und Muster wurde vorgeführt. Herrliche Stücke! Als Nik in die Herrenabteilung gebeten wurde, wies Verena die Männer darauf hin, dass sie nichts kaufen werde. Denn es ist jede Menge Arbeit, die ganzen Teile wieder ordentlich zu falten und zu verstauen. Wenn es ihnen also darum ging, ihre Produkte zu präsentieren und etwas dazu erzählen wollten, dann war sie dafür offen. Wenn sie nur verkaufen wollten, sollten die Verkäufer bitte nicht ihre wertvolle Zeit und Mühe an sie vergeuden. Nach der Ansage war einer der beiden direkt verschwunden. Der andere versuchte es weiter bei den Schals. Es waren sehr schöne Stücke dabei. Er würde ihr einen guten Preis machen. Aber auch hier kaufte sie nichts. Sie hatte einen einzigen, normalen Schal, der mehrere Funktionen übernahm. Das musste reichen. Nik hatte sich in der Herrenabteilung Stoffe für Anzüge anlegen und drapieren lassen. Er sah richtig schick aus. Leider gibt es davon keine Fotos. Und Verena hatte davon nichts mitbekommen. 😔 Ein maßgeschneiderter Anzug wäre schon was Feines, aber ob man damit so gut radeln kann? 😉
Ali brachte uns zum See Tal Katora und dem Pondrik Park auf der anderen Straßenseite. Dort war er vor seiner Heirat regelmäßig unterwegs. Wir gingen spazieren, unterhielten uns mit Ali über alles Mögliche und beobachteten die Streifenhörnchen. Der nächste Halt war hinter dem Iswari Minar Swarga Sali (Isarlat) Aussichtsturm. Die Wendeltreppe nach oben war echt nicht ohne. Ohne Pausen wäre der Drehwurm echt unangenehm geworden. Die Plattform oben war winzig und nicht ganz ungefährlich. Der Turm selbst ist etwa sieben Stockwerke hoch. Die Aussicht war ganz nett, sie hatte jedoch keine signifikanten Vorteile gegenüber den gegenüberliegenden Dächern vom Tag unserer Anreise.
Als Letztes schlenderten wir über den Platz des Jantar Mantar. Es ist ein historisches Observatorium (Beobachtungsstation für astronomische, meteorologische oder geophysikalische Phänomene) aus dem 18. Jahrhundert. Das Jantar Mantar ist bekannt für seine 19 beeindruckenden, astronomischen Instrumente, die zur Messung der Zeit, Positionen der Himmelskörper und anderen astronomischen Phänomenen verwendet wurden. Sein Erbauer entschied sich bewusst für Instrumente für die Beobachtung mit dem bloßen Auge. Denn das Teleskop war bereits seit 100 Jahren bekannt. Die Instrumente sind aus Stein und Marmor gefertigt und zeugen von der fortschrittlichen Wissenschaft und Technologie, die zu dieser Zeit in Indien angewendet wurde. Dazu sind sehr viele Prototypen erhalten und ausgestellt, die die Experimentierfreude am Weiterentwickeln bezeugen. Was an kleinen Instrumenten, teilweise aus Metallen, erprobt und stetig verbessert wurde, wurde final aus Marmor im großen Maßstab umgesetzt. Das Jantar Mantar beherbergt das weltweit größte Sonnenuhr-Instrument, den Samrat Yantra. Die Sonnenuhr ist 27 Meter hoch. Sie misst mit einer Genauigkeit von zwei Sekunden. Seit 2010 ist das Jantar Mantar ein UNESCO-Weltkulturerbe.
Tag 482 (24.12.2023)
24 °C
Frohe Weihnachten aus Jaipur! Wir hoffen, dass ihr alle ein schönes Fest hattet! 😊
Es war nun klar, dass Nik seine Kleidungsstücke von dem Hostel in Delhi definitiv nicht mehr zurückbekommen würde. Also ließen wir uns in die Nähe eines Decathlon, zum Jawahar Circle, bringen. Dort steht das eindrucksvolle Patrika Gate. Es ist eine schöne Kulisse für Fotos. Im Park vom Circle kann man gut spazieren gehen und weitere, wenn auch nur kleine Bauten und Steinschnitzerein anschauen. Die abhandengekommene Kleidung konnte Nik zum Glück halbwegs gut ersetzen. Auf dem Rückweg hielten wir auf halber Strecke an einem weißen Tempel. Davor mussten wir eine kurze Zeit mit vielen anderen warten, bis sie wieder öffnete. Diese Zeit vertrieben wir uns unter anderem mit kleinen Spielen auf den Smartphones. Verenas buntes Spiel wurde von den umstehenden Kindern entdeckt. Zwei von ihnen wollten ihr helfen und fingen an, auf dem Display herumzutippen und zu wischen. Eine von ihnen hatte es schneller begriffen als der andere. Zeitweise hing eine ganze Traube Kinder um Verena. Mit dem Öffnen des Tores waren dann alle wieder verschwunden.
Der weiße Tempel ist ebenfalls von der Familie Birla (M. Gandhi Museum im Birla Haus und Birla Mandir in Delhi) in Auftrag gegeben worden. Die Birla Mandir oder Lakshmi Narayan in Jaipur ist eine junge, moderne, große Hindu Tempelanlage. Der Tempel ist aus weißem Marmor gefertigt. Drinnen sahen wir die ersten, für uns hübscheren Statuen von hinduistischen Gottheiten. Es waren Lakshmi und Narayan in violett gekleidet. Wir fanden sogar Bildnisse von Jesus Christus, Zarathustra, Sokrates, Konfuzius, sowie Buddha und weiteren großen Persönlichkeiten. Wir hätten gerne noch die über dem Tempel liegende Burg besichtigt. Aber die gehörte nicht mit zur Anlage.
Wir lernten Salim kennen. Er war ein Rikschafahrer der entspannten und umsichtigen Art. Genau unser Ding. Zurück im Hotel zog Verena noch kurz los, um Obst zu kaufen. Sie kam zurück mit mehreren Kilos an Papaya, Kiwi, Bananen, Granatäpfel, Guaven und Chikoos (Breiäpfel). 🥰 Das Hotel hatte ein eigenes Restaurant mit Zimmerservice. Wir hatten uns bereits die letzten zwei Abende von dort Essen bringen lassen. Heute war Heiligabend und wir ließen es uns mit einfachem und gebratenem Reis, Mattar Paneer Masala, Tandoori Naan, Garlic Naan und drei Varationen an Papad (plane, fired, Masala) gut gehen. Unsere Familien konnten wir beim kurzen Videotelefonieren wiedersehen und schöne Festtage wünschen.