Tourwoche
Tag 462 (04.12.2023)
21 °C
Wir versuchten, das Zimmer zu wechseln. Am Ende war es nicht möglich, weil in dem anderen, noch freien Zimmer eine Tür ausgebaut und dafür eine Mauer hochgezogen wurde. Durch den frischen Mörtel wäre das Zimmer genauso feucht wie das jetzige und die Bauarbeiten schienen auch noch nicht abgeschlossen zu sein ...
Bis auf kleine Erledigungen erholten wir uns sonst nur noch vom Flug.
Tag 463 (05.12.2023)
24 °C
Wir hatten so lange geschlafen, dass wir mit den Mahlzeiten zeitlich ordentlich durcheinander kamen. Also gab es bereits halb vier nachmittags, statt abends, was Warmes zu essen. Die Reste der zwei Pizzen und vom Knoblauchbrot wurden für den Abend mitgenommen.
Die Räder mussten aufgebaut werden. Bis ins Dunkel hinein waren wir damit beschäftigt. Und das Angezicke war Programm. Beim Floh war ein Gewinde für den Gepäckhalter, die Parkstütze und das Schutzblech an der vorderen Gabel durch, sodass die Schraube nicht mehr fest angezogen werden konnte. Das war keine so gute Nachricht. Da wir die Radels erstmal nicht weiter bewegten, wollten wir uns dem Problem die Tage noch mal annehmen und machten Feierabend.
Tag 464 (06.12.2023)
25 °C
In der Auffahrt rumpelte es dermaßen, dass Verena davon wach wurde. Unsere Räder standen in der Auffahrt. Und das klang, als wenn Steine für die Mauer in dem einen Zimmer geliefert wurden. Also zog sich Verena was über und lief runter. Direkt hinter der Tür standen mehrere Rollkoffer. Daneben waren Ziegelsteine zu sehen. Weiter um die Ecke geschaut, sah man einen ganzen Haufen davon in der Auffahrt liegen. Der Kleintransporter fuhr langsam seine Ladefläche herunter. Er stand neben unseren Rädern. Ihnen kam also zwar das Fahrzeug unliebsam dicht, aber es bestand keine Gefahr von herumfliegenden Ziegelsteinen. Immerhin!
Eigentlich wollten wir das Hostel frühzeitig verlassen, weil das Zimmer uns so nervte. Aber wohin? Die Chancen standen nach unserem Wissen relativ schlecht, etwas Erträglicheres zum selben Preis zu bekommen. Der Besitzer bot uns an, dass wir am nächsten Tag in ein anderes Zimmer umziehen könnten. Das war ein Hoffnungsschimmer für uns.
Tag 465 (07.12.2023)
25 °C
Verenas Befürchtung bewahrheitete sich. Wir bekamen das Nachbarzimmer angeboten. Das hatte auf den ersten Blick nur eine kleine Stelle mit abbröckelnder Farbe, dafür hatte es aber auch kein Fenster. Feucht war es genauso wie unseres. Wobei wir inzwischen den Dreh mit dem Fenster, der offenen Badtür und dem Ventilator im Bad raus hatten. Es war nicht mehr so unangenehm feucht bei uns. Und das Bad vom Nachbarzimmer war mit unserem durch ein einfaches Loch in der Wand verbunden. Wir hätten demnach keine Kontrolle über eine Ventilation im eigenen Bad gehabt. Wir zogen also nicht um.
Ali, ein Gast, empfahl uns die Sehenswürdigkeiten in der Nähe zu besuchen, anstatt auf der Dachterrasse in den Abgasen zu hocken. Wenn der Smog hier überall hängt, warum sollte es dann bei Sehenswürdigkeiten in der Stadt bessere Luft geben? Aber gut, es war Zeit für die ersten Sehenswürdigkeiten.
Im Qutb-Komplex steht das Qutb Minar. Es ist das Herzstück der Anlage und ragt seit etwa 800 Jahren weit über die Bäume hinaus. Die Entstehung des Komplexes begann um 1200, nach der Eroberung der Stadt durch die Muslime und umfasst neun Einzelbauten.
Im Garten der fünf Sinne (garden of five senses) hatten die Pflanzen und Brunnen gerade Winterpause. Die beste Zeit, den Garten zu besuchen, ist tatsächlich nur Februar bis März. Im Sommer ist es einfach zu heiß, in der Monsunzeit zu nass und im Winter zu kalt. Es war dort angenehm ruhig und nur wenige Menschen unterwegs. Durch die Vielzahl verschiedener Skulpturen gab es trotzdem etwas für uns zu entdecken. Und die Arbeiter waren fleißig dabei, das Chrysanthemenfestival, das am nächsten Tag begann, vorzubereiten. Dazu wurden hunderte eingetopfte Pflanzen um die Beete und entlang der Wege drapiert.
Als Verena die Besorgungen an diesem Abend machte, schaute sie sich auf der Straße das Spektakel an einer Kutsche an. Was genau da los war, wurde nicht klar. Auf der weißen, geschmückten Kutsche stand ein weiß gekleideter Mann und ließ sich feiern. Um die Kutsche herum standen Männer mit geschmückten Schirmen, eine Band spielte und Leute auf dem Gehweg neben der Kutsche jubelten und grölten. Ein Feuerwerk wurde aus einer Pappkiste, die auf der Straße stand, gezündet. Die kleinen Raketen stiegen nur leider nicht auf, sondern flogen in alle Richtungen. Den Funken am Ärmel klopfte Verena selbst weg. Der Brand am Einkaufsbeutel war verdeckt. Ein Passant klopfte ihr das kleine Feuer aus. Wahrscheinlich ging auch was ins Haar. Bei ihrem Gestrubbel da oben fallen kleine Brandschäden allerdings nicht auf. Übersichtlich war die Situation auf der Straße nicht. Auch andere Passanten schienen was abbekommen zu haben. Das reichte dann aber auch für den Tag und sie sah zu, ohne weitere Schäden zurück zu Nik zu kommen. Schade um ihr Lieblingsshirt. Niks Kommentar dazu: "Dich kann man aber auch nicht alleine rauslassen! 😋"
Tag 466 (08.12.2023)
25 °C
Ausgeschlafen machten wir uns auf zur Metrostation, keine fünf Minuten zu Fuß entfernt vom Hostel. Auf einem Aushang war das Liniennetz der Metro zu überblicken. Bei jeder Station stand der Preis für das Ticket bis dorthin. Am Schalter nannte man sein Ziel und bekam ein Stück Thermopapier mit einem QR-Code, dem Startort, dem Zielort und vielen weiteren Informationen. Diese Einzeltickets sind 60 Minuten gültig. Alternativ konnte man Tickets über WhatsApp kaufen. Wow! Als Nächstes ging unser Rucksack durch einen Scanner. Wir wurden ebenfalls gescannt und abgetastet, allerdings getrennt nach Geschlecht. Als Letztes entriegelte der QR-Code eine Drehsperre. Wichtig war, dass man das Ticket noch zum Verlassen der Zielstation benötigte. Also bloß nicht wegwerfen oder den QR-Code beschädigen. An diesem einen Zugang arbeiteten eine ganze Menge Leute. Im Vergleich dazu gibt es zum Beispiel in Berlin nur noch an großen Stationen einen von Menschen besetzten Schalter für Informationen und Tickets.
Es ging neun Stationen in einem schön leeren Zug bis zum Parlament. Zurück an der Sonne gab es allerdings davon nichts zu sehen. Es war komplett abgesperrt, mit meterhohen, sichtgeschützten Zäunen. Wir gingen ein Stück am Parlament entlang. Am anderen Ende gab es einen kleinen Platz. Vielleicht konnte man von dort ein wenig vom Parlamentsgebäude sehen. Über uns kreisten mehr als 50 Greifvögel. Streifenhörnchen huschten überall herum. Ein paar Hunde waren zu sehen. An dem Platz angekommen, standen, saßen und lagen Fernsehteams wartend auf der Wiese im Kreisverkehr. Zwischen ihnen bewegte sich eine Gruppe Affen. Die kletterten, tobten, kuschelten, aßen, hockten und liefen zwischen den Leuten und ihren aufgestellten Kameras herum. Alle waren entspannt. Auf irgendwas warteten die Fernsehteams.
Vom Parlament war auch dort nicht mehr zu sehen. Wir gingen weiter zum Kartavya Path (oder Rajpath oder Kingsway). Der über einen Kilometer lange Boulevard verbindet mit sehr vielen Grünflächen die offizielle Residenz des indischen Präsidenten mit dem Triumphbogen India Gate und dem nationale Gedenkpark für die indischen Unabhängigkeitskriege. Um die Präsidentenresidenz herum sind viele Behörden und einige Museen angesiedelt.
Von unserer Position aus war nichts ordentlich zu sehen. Da wurden wir von einem Rikschafahrer wiederholt angesprochen. Er hatte uns wenige Minuten zuvor am Parlament bereits seine Dienste angeboten. Jetzt fühlten wir uns ein wenig verfolgt. 😳 Eigentlich wollten wir den Boulevard entlang spazieren gehen. Bis zum Sonnenuntergang war allerdings nicht mehr viel Zeit. Wir waren halt wieder zu spät losgegangen. Das Englisch vom Fahrer, seine Vorschläge für eine kleine Rundfahrt und der Preis sagten uns zu. So lernten wir Shiva kennen. 😊 Er brachte uns zum Indira Gandhi (ehemalige Premierministerin) Haus, zum Agrasen Ki Baoli (Stufenbrunnen aus dem 10. Jahrhundert), Gurudwara Bangla Sahib (Sikhtempel mit heiligem Buch) und schließlich ans andere Ende vom Kartavya Path. Dort schauten wir uns das nationale Kriegsdenkmal an und wollten die Atmosphäre um das India Gate herum genießen. Doch wir wurden immer mehr nach Selfies gefragt und angestarrt. Verena war das schnell zu viel und wickelte ihren Schal um den Kopf.
Zum Ende unseres Ausflugs mussten wir noch irgendwie das Dokument mit der beglaubigten Unterschrift versenden. Also suchten wir uns einen DHL Shop, damit das auch mit Tracking und Versicherung transportiert werden würde. War auch gar nicht so schwer, dafür teuer. 60 € kostetet der Spaß ... 🙄
Tag 467 (09.12.2023)
25 °C
Da wir gestern so gute Erfahrungen mit ihm gemacht hatten, wollten wir uns Delhi noch einen Tag von Shiva zeigen lassen. Er empfahl uns zuerst den Lotustempel. Er ist ein Tempel der Bahai, in dem alle Religionen zur Andacht willkommen sind. Danach fuhr er uns zum Hindu-Komplex Akshardham, der nach der Fläche siebtgrößte Hindutempel der Welt. Es war beeindruckend! Beim Roten Fort würde sich eine Besichtigung nicht lohnen. Für einen kleinen Eindruck brachte er uns an eine beliebte Fotokulisse des Forts. Direkt vor diesem Platz endete die Straße Chandni Chowk mit seinen Floh- und Straßenmärkten. Was die Schwierigkeit beim Essen an den kleineren Ständen angeht, wo eben auch Einheimische für kleines Geld essen, war Shiva eine große Hilfe. Dank ihm trauten wir uns viele herzhafte und ein paar süße Snacks zu probieren. Das war wunderbar! 😁 Wir schlenderten und quetschten uns durch die Gassen. Fußgänger, Lastenkarren, Mopeds. Alles wollte überall lang. Und wie war das mit dem Mut beim Verkehr? Verena hatte eine Sekunde gezögert und bekam von einem Moped einen blauen Fleck an der Wade verpasst. Autsch! Bis auf ein paar Nüsse brauchten und kauften wir auch nichts weiter. Da wir eine ordentliche Strecke gelaufen und erschöpft waren, nahmen wir uns eine Fahrradrikscha zurück zu Shivas Otorikscha (Autorikscha). Von den eRikschas hatten wir auch schon viele gesehen. Angeblich gibt es sogar noch handgezogene Rikschas.
Auf dem Rückweg konnten wir noch einen Blick auf die Freitagsmoschee Jama Masjid werfen. Da wir noch etwas Kleidung und Fahrradschläuche brauchten, ließen wir uns vor einem Decathlon absetzen. Der war im Vergleich zu denen in Europa winzig und hatte leider nicht, was wir suchten. Deshalb ging es mit der Metro und einer Fahrradrikscha noch zur Mall of India. Sie machte ihrem Namen alle Ehre. In den Malls weiß man nie, in welchem Land man eigentlich gerade unterwegs ist. Doch auch hier wurden wir nicht fündig.
Tag 468 (10.12.2023)
23 °C
Erneut nahmen wir die Dienste von Shiva in Anspruch, es gab noch viel zu besichtigen. Gut erschöpft vom Vortag war die erste Mission, mit seiner Hilfe, eine SIM-Karte zu besorgen. Während die Männer an einer kleinen Kreuzung in einem winzigen Verschlag alles organisierten und einrichteten, ging Verena bei einem fliegenden Händler das erste Mal Bananen kaufen. Mit mobilen Daten versorgt, sollten wir an einem weiteren Stand frisch frittierte Teigbällchen aus dem Kirchererbsenmehl „Besan“ probieren, die garniert waren mit geriebenem Rettich und einer grünen, scharfen Soße. Der Koch tunkte als nächstes grüne, längliche Schoten in denselben rohen Teig. Auch das probierten wir, von der Spitze der Schote beginnend. Immer nur ein winziges Stück, bis die Chili Pakoda anfing (für uns) scharf zu werden. Beim Sightseeing ging es zuerst in die Lodhi-Gärten. Die Parkanlage ist kostenfrei zugänglich, wird aber an den Eingängen bewacht. In ihr befinden sich Mausoleen, Moscheen und andere Gebäude aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Auf den Grünflächen wurde gelegen, gespielt und gepicknickt. Überall standen Parkbänke. In und um die Gebäude setzten sich die Leute in Szene für gute Fotos. Ein Wassergraben und eine Baumfläche runden das Bild weiter ab. Überall konnte man hingehen. Nik entdeckte einen Braunliest direkt über unseren Köpfen, Verena bemerkte einen Warzenibis auf einem toten Baum.
Das Gandhi Smriti, früher Birla Haus, ist ein Museum über Mohandas Gandhi. Er ist bekannter mit einem seiner Ehrennamen als Mahatma Gandhi. Ein zweiter Ehrenname wurde Bapu, also „Vater“. Später wurde sein Leben und Wirken durch den Titel „Vater der Nation“ gewürdigt. Er war ein bedeutender, politischer und spiritueller Führer und kämpfte für Indiens Unabhängigkeit. Im Hause der Birlas verlebte er seine letzten Monate, bevor er im Garten ermordet wurde.
Es gibt in Delhi eine Embassy Road (Botschaftsstraße). Mauer neben Mauer kann man auf den Schildern davor die Staatsnamen lesen: USA, Niederlande, Deutschland, Schweden, Afghanistan, Japan, Russland, Serbien, Sudan, Myanmar, Frankreich, Pakistan, Australien, Großbritannien, China, Norwegen. Im näheren Umkreis lagen weitere Botschaften wie Kanada, Sri Lanka und Polen. In 2023 fand der G20-Gipfel in Indien statt. In einem kleinen Park wurde ein G20-Kunstprojekt ausgestellt, ein Skulpturengarten. Aus jedem Teilnehmerland wurde ein aus Metall gefertigtes Nationaltier ausgestellt. Es gab anmutige, seltsame und klobige Kunstwerke - aber das liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. In der Nähe des Parks stand die Salzmarsch Skulptur. 1930 kam es zu einem Protestmarsch, weil die Steuer auf das lebensnotwendige, indische Salz durch die Besatzungsmacht Großbritannien so hoch wurde, dass sich die Inder ihr eigenes Salz nicht mehr leisten konnten. Mahatma Gandhi und einige Anhänger gingen in 24 Tagen über 380 km. Dem gewaltfreien, zivilen Ungehorsam schlossen sich in der Zeit immer mehr Menschen an.
Shiva führte uns durch die hinduistische Tempelanlage Birla Mandir oder auch Lakshmi Narayan Mandir. Sie wurde vor knapp 90 Jahren von der Birla Familie bauen gelassen, ist Lakshmi, der Göttin des Reichtums, und ihrem Ehemann Narayana gewidmet und heute aufgrund ihrer Architektur mit den kunstvollen Verzierungen eine Touristenattraktion. Zum Abschluss des Tages wollte Nik noch den Stadtteil Paharganj sehen. Dort hätten wir fast eine Unterkunft gebucht, aber die Bewertungen ("für einen Europäer ist das Chaos viel zu viel!" ...) brachten uns dann davon ab. Gute Entscheidung! Es reichte ihm einmal entspannt mit der Rikscha hindurchzufahren. Und damit endeten zweieinhalb Tage mit unserem tollen Guide Shiva. Wir wünschen ihm alles Gute für die Zukunft! 😊