Tourwoche
Tag 420 (23.10.2023)
17 °C
Heute schlenderten wir über einen Basar. Erst sahen wir nichts als Kleidung und Kurzwaren. Wir waren auf der Suche nach einem Stück Wollgarn, damit Verena ihre Socke stopfen konnte. In einer der unzähligen und verzweigten Gänge wurde Nik fündig. Es war leider nicht möglich, nur ein oder zwei Meter zu kaufen. Und das ganze Bündel war an sich nicht teuer, aber es war einfach viel zu viel. Was sollten wir mit dem guten Rest machen? Während wir mit der Socke in der Hand diskutierten und überlegten, griff die Verkäuferin hinter sich und holte eine kleine Pappkiste mit Wollresten vor. Wir durften uns was heraussuchen und mitnehmen. Es war kein Wollgarn dabei, das Loch mit Kunstfaser zu stopfen war aber jetzt auch kein Weltuntergang. Supi!
Als Nächstes brauchten wir eine Kartoffel. Genau! Denn wer keinen Stopfpilz dabei hat, der braucht dickes, rundes, festes Obst oder Gemüse, das nicht färbt. In einer Halle gab es tonnenweise Zwiebeln, Rüben, Kartoffeln und was nicht alles zu kaufen. Eine kleine, grüne Rübe (genannt Turub) zog unser Interesse auf sich. Wir wurden gebeten, jeder ein rohes Stück zu probieren. Und sie schmeckte ganz lecker. Als wir zwei Stück kaufen wollten, sahen wir in irritierte Gesichter. Aber was sollten wir auch mit zwei Kilo Rüben? Sie schenkten sie uns, zusammen mit einer Kartoffel. Ein Kilo Kartoffeln oder Zwiebeln kosteten zwischen zwei und drei tadschikische Somoni (TJS). Das sind umgerechnet 0,17 bis 0,25 Euro. Und die Touris wollten nur drei Knollen kaufen. 😅 Bei den Obstständen roch es so schön fruchtig. Wir gingen vorbei an Ständen mit quietschbunten Süßigkeiten und knuspernden Menschen, die sich beim Knabberkram durchprobierten, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Nüsse, Besen, Töpfe, Decken, Elektronik, Deko, Schmuck, Spielzeug - alles hatte seinen Bereich.
Es folgten Gänge mit Baumaterial, Fahrradzubehör und in einem saß Schlosser neben Schlosser. Dazwischen gab es immer mal wieder Imbissbuden. Einmal kauften wir uns bekannte, frittierte Teigtaschen, an einem anderen versuchten wir was Neues. Die Metzgerstraße weckte so viele verschiedene Gefühle in uns. Das Fleisch hing und lag überall ungekühlt herum. Jeder konnte es anfassen. Fliegen waren nur an sehr wenigen Ständen und die waren eher etwas abseits gelegen und machten einen ärmlicheren Eindruck. Es roch auch nur dort unangenehm. Blut war so gut wie keines zu sehen. Geschlachtet und ausgenommen wurde demnach woanders. An einer Stelle stand ein Kleintransporter. Auf seiner offenen Ladefläche lagen die geschlachteten Schaf- oder Ziegenkörper, also ohne Fell und ohne Innereien. Ein Mann ging herum, hob sie an, um die Ware besser sehen zu können und wies jemand anderes an, bestimmte Körper hineinzubringen. An einer anderen Stelle kam es zu einem fließenden Übergang vom Metzger zum Herrenausstatter, also vom felllosen Tier zur ledernen Kleidung. Zwischen den Tischen mit Innereien und Fleisch streuten sich immer mehr Gürtel und Schuhe.
Tag 421 (24.10.2023)
23 °C
Scheinbar hatten wir das frittierte Hühnchen vom Abendessen dieses Mal nicht vertragen und mussten unseren Aufenthalt verlängern. Nik ging es den Abend vorher nicht gut, und Verena fühlte sich dann morgens etwas unwohl in der Magengegend. Am ersten Abend in Kujand hatten wir das Hühnchen vertragen. Am gestrigen Abend war es wohl nicht mehr ganz so frisch gewesen. Es war der einzige, gemeinsame Nenner, den wir ausmachen konnten. Schade!
Tag 422 (25.10.2023)
23 °C

Unser Schlafgemach für diese Nacht. Unter riesigen, schweren, plüschigen Decken ließen wir gut gewärmt den Tag Revue passieren. 🥰

Von Kujand nach Tojikobod
30,2 Kilometer | |
112 Minuten |
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270 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Es sollte ein kurzer Radtag bis zu Raful nach Hause werden. An einer Stelle endete die Straße an einem tiefen Wassergraben quer durch die Fahrbahn. Na toll! Auf der anderen Seite zeigte ein junger Mann auf eine buckelige Stelle rechts von uns. Dort konnten wir mit den Rädern über den Graben balancieren und mussten nicht zurück und einen Umweg fahren. Yeah!
Von da an gingen die letzten 13 km nur noch aufwärts. Also machten wir wenige Meter hinter dem Graben eine Pause an einer überdachten Bushaltestelle. Ein Auto hielt neben uns, der Fahrer kam lächelnd mit einer freundlichen Begrüßung auf uns zu. Es war der Bruder von Raful, der auf dem Weg zur Jagd war. Er wollte später nachkommen. Alles klar! Zurück auf der Straße stoppte ein anderes Auto mit Vollbremsung vor Nik, der vorausgefahren war. Es war Jahonzeb, der Sohn von Raful, mit weiteren Insassen. Alle waren schick in Anzügen gekleidet. Wir sollten zum Dorfplatz fahren. Von dort aus würde er uns dann zu sich nach Hause lotsen. Auf dem letzten Kilometer durch die Ortschaft bis zum Dorfplatz wurden wir schon ordentlich von den unzähligen Schulkindern beäugt. Am Dorfplatz angekommen war sein Auto, aber Jahonzeb selbst nicht zu sehen. Also warteten wir zwischen all den umherlaufenden Kindern. Einige blieben in unserer Nähe stehen und tuschelten. Ein bisschen mit den Augenbrauen geklimpert und man wurde angelacht. Herrlich! ☺️
Jahonzeb kam mit einem seiner Söhne von der Schule um die Ecke. Wir folgten ihm einen knappen Kilometer weiter durch den Ort, in eine engere Gasse bis vor ein riesiges Holztor. Hinter dem Tor verbarg sich ein großer Hof. Ein Teil davon war gepflastert und in etwa vier Metern Höhe komplett von Weinreben überdacht. Sie hatten noch kleine Obstbäume, frei laufende Hühner und Fettschwanzschafe, Kühe im Stall, das Gewächshaus von Rafuls Frau, ein Gemüsebeet und weiteren Platz für zukünftige Projekte.
Raful engagierte einen seiner Enkel als Übersetzer für den Abend. Der war sehr gut in seinem Job und machte einiges einfacher und lustiger. Es gab viel zu Reden und noch mehr zu Essen. Der Tisch stand voll mit Nüssen, süßem Gebäck, Pralinen, Kichererbsen, Pistazien, Tomaten und Gurken, Weintrauben, Äpfeln, Birnen, Bananen, Suppe, Brot und natürlich einer riesigen Platte Osh. Im Laufe des Abends wurden wir sogar von Raful und seiner geliebten Frau adoptiert. 😄 Die Jüngste Enkelin hieß Negina, hatte ordentlich Cola getrunken und war dementsprechend nicht am Schlafen interessiert. Und wie sollte es anders sein, nachdem sie uns gegenüber aufgetaut war, hatte sie einen Narren an Nik gefressen. Hihi! Sie sprang überall herum und fiel dabei mehrfach mit kurzem Geschrei um. Und sie ließ sich nichts gefallen, egal von wem und egal was. 😆
Selbst nach der Dusche standen wir noch eine ganze Weile mit Jahonzeb und dem übersetzenden Neffen draußen. Wir fanden kein Ende bei den Fragen, die uns und ihnen durch den Kopf gingen. Es war ein wunderbares Erlebnis, für das wir sehr dankbar sind und werden es für immer in Erinnerung behalten.
Tag 423 (26.10.2023)
21 °C

In diesen vertieft eingesetzten, halbrunden, gusseisernen Kochtöpfen (Kazan) wird unter anderem Osh zubereitet. Er wird über offenem Feuer oder wie hier auf einem speziellen Ofen platziert.

Tee spielt eine wichtige Rolle in der tadschikischen Kultur. Er ist unter anderem ein Zeichen der Gastfreundschaft. In Deutschland sind das eher Kaffee und Bier.

Der Abschied fiel Nik sehr schwer. Wir hatten neue Freunde gefunden. Vielleicht würden wir uns eines Tages wiedersehen!

Von Tojikobod nach Kurkat
32,1 Kilometer | |
106 Minuten |
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140 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Wir waren auf einen Tee eingeladen. Wo genau verstanden wir nicht. Es sollten auch nur 20 Minuten dauern. Nach unseren Erfahrungen konnten das lange 20 Minuten werden. 😅 Vor und in dem Haus war viel los. Wir gingen mit den Männern hinein. Verena wurde von ihnen jedoch direkt aufgefordert, in einen bestimmten Raum zu gehen. Ohne Nik! Oh oh! 😳 Alles nur Frauen! Und davon eine ganze Menge. Und alle schauten sie an. So wie es Verena mag. Hilfe! Ganz hinten in der Ecke saß die jüngste Frau der Runde komplett verschleiert in den schönsten Farben mit viel Bling-Bling. Es war die Feier oder Zeremonie für die Geburt ihres Kindes am Vortag. Keine Ahnung was zu tun war, ging Verena auf sie zu, um irgendwie zu gratulieren. Und trat voll ins Fettnäpfchen. Sie bemerkte nicht, dass in dem Moment, wo sie die Hand der frisch gebackenen Mutter zum Gratulieren griff, sie diese zwar nach vorne bewegte, aber nicht für Verena, sondern für ein „Dua“. Das ist eine gängige Tradition, bei der alle Anwesenden ihre Hände vor sich zusammenhalten (Handfläche zeigt nach oben), jemand eine Gebetsformel aufspricht, um Segen, Schutz oder Dankbarkeit auszudrücken, und nach dem Bittgebet alle ihre Hände zum Gesicht führen und zu den Seiten weg wieder öffnen. Als wenn man sich in Slowmotion Wasser aus den Händen ins Gesicht wirft. Hoffentlich war der Fehltritt keine Beleidigung für die junge Mutter. Das Bittgebet war für sie, weil sie den Raum verließ. Ein Dua war uns nicht unbekannt. Nach dem Essen wurde es zumeist gesprochen, wenn sich jemand verabschiedete.
Es war ein länglicher Raum, zu allen Seiten mit Kurpacha (dünne Matratzen zum Sitzen und Liegen) ausgelegt. Auf ihnen hockten die Damen. Eine von ihnen war Rafuls Frau. Vor jeder standen unzählige Schalen mit Suppe, Nüssen, Rosinen, Zuckerwürfeln, Süßigkeiten, Teller mit Tortenstücken, Teeschalen, dazwischen lagen Brotstücke auf dem Boden. Verena wurde gleich von mehreren Frauen aufgefordert, zuzugreifen. Eine gestikulierte, sie sähe (zu) dünn aus. Da wurde ihr auch direkt eine Schüssel Suppe und ein Teller Osh vor die Beine gestellt. Dabei war sie noch satt vom Frühstück. Aber keine, wirklich keine einzige, von den Frauen sprach Englisch. Mist! Der Übersetzer half nicht viel, weil es für die älteren Damen nicht lesbar oder die Übersetzung nicht verständlich war. Was Verena verstand, war, dass eine der Frauen die Schwester von Rafuls Frau war. Und sie waren fast alle an den Fotos von unserem Abenteuer interessiert. Rafuls Frau hatte am Vorabend bereits so viel von uns mitbekommen, dass sie anscheinend genug erzählen konnte. Das vermutet Verena zumindest aufgrund einiger Schlüsselworte, die sie herausgehört hatte und die erstaunt nickenden Blicke, die ihre anschließend zugeworfen wurden. Die Großmutter des Hauses lächelte durchgehend und war so interessiert, sie mochte Verena total. Am Ende schenkte sie ihr noch ein Kopftuch und gab uns eines der riesigen Brote überladen mit Obst und Süßigkeiten mit. Wir verstanden uns nicht verbal, aber fanden uns so nett, dass es am Ende eine dicke Umarmung gab. Da sie alle so klein waren, wurde Verena dabei an ihre lieben Tanten erinnert. Die waren teilweise nicht viel größer und haben ebenfalls schon silberweißes Haar. Gruß geht raus an die Tanten und Onkel! 😘
Und was machte Nik eigentlich? Die Männer vertrieben sich zu viert(!) die Zeit. Auch ihm wurde natürlich Essen angeboten und er bekam eine Führung durch den Hof und zu den Kühen.
Zurück bei den Rädern sollten wir alles an Essen und Getränken mitnehmen, was wir brauchten. Das war erkennbar weniger, als unsere Freunde dachten. Aber wohin mit alledem? Es ging ein Stück zurück in die nächst größere Stadt. Dort zeigten uns Raful und Jahonzeb stolz ihr Büro. Raful hatte erfolgreich in die Bildung seiner Söhne investiert. Sie wurden alle Unternehmer in unterschiedlichen Bereichen der Baubranche. Dort wurden wir eingeladen, doch noch etwas länger zu bleiben. Doch wir mussten weiter. Der Abschied fiel Nik sichtbar schwer, so viel Herzensgüte sind wir immer noch nicht gewohnt.
Unser Ziel war erst ein ehemaliges Teehaus. Nachdem dort niemand anzutreffen war, fuhren wir weiter zu einem Guesthouse. Das existierte nur blöderweise nicht. Die Nachbarn, eine russische Großfamilie, ließ uns in einem ihrer Zimmer nächtigen. Für die ganze Story ist hier aber leider kein Platz mehr.
Tag 424 (27.10.2023)
22 °C

Wer aus unserer Generation und älter erkennt es? Eine Videothek!!! 😄 Na gut, es gab nur DVDs, aber bitte, seit wie vielen Jahren sind die in Deutschland bereits ausgestorben? 😆

Von Kurkat nach Istarawahan
37,1 Kilometer | |
193 Minuten |
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570 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Die Familie verließen wir ganz in Ruhe, aber so schnell beziehungsweise früh wie möglich. Wir wollten nicht weiter stören. Noch im selben Ort machten wir es uns auf der Parkbank vor dem Kulturhaus bequem. Es gab Frühstück. Zwischendurch gesellten sich einige interessierte Männer zu unseren Rädern. Von den vielen Kindern, die in mehreren, kleinen Gruppen an uns vorbeigingen, waren die meisten sehr schüchtern. Winken war nicht drin. Verena hatte es mehrfach erfolglos probiert. 😔 Nur vier Jungs waren tapfer genug, sich auf eine der Bänke neben uns zu setzten. Ansonsten hielten alle Abstand. 😄
Auf der Straße begegneten wir seit Langem mal wieder anderen Radreisenden. Florian und Koko aus Frankreich waren auf dem Weg nach Osh. Allerdings ohne den Pamir zu fahren, da es inzwischen zu kalt war. Uns war bekannt, dass es weiterhin tatsächlich Radfahrende gab, die zu der Zeit noch den Pamir befuhren. Es gibt echt Menschen, denen Kälte scheinbar herzlich wenig ausmachte.
Unser angepeiltes Hotel gab es nicht mehr. Uns wurde gestikuliert, dass ein anderes Hotel um die Ecke sei. Von einem kleinen Rummel verdeckt fanden wir es schließlich. In dem Hotel hieß es, dass unsere Toilette nicht ging und binnen der nächsten Stunde repariert werden würde. Es kam bloß niemand und wir mussten so dringend. Nik ging herunter. Wir sollten einfach nur das Wasser aufdrehen, um Spülen zu können. Dann aber auch direkt wieder zudrehen. Es tropfte. Na toll! So ein Pillepalle! Unsere armen Blasen. 😅 Aber gut. Wir sind immerhin noch nicht alt genug, um an Blasenschwäche zu leiden. Immer positiv sehen! 😉
In der Nähe ging es dann in ein Restaurant, dass vergleichbar mit einer Kantine in Deutschland geführt wurde. Wir hatten bereits gute Erfahrungen mit einem anderen Restaurant der Kette gemacht. Da sorgten wir uns weniger, ob das Essen verträglich wäre. Es gab Lammsuppe, Kartoffelpüree, Pommes, Reis, Bouletten und Salat.
Irgendwann spätabends, zum Glück schlafen wir immer erst sehr spät ein, klopfte es an der Tür. Zwei junge Männer wollten hinein, um die Toilette zu reparieren. Das war ihnen dann zwar nicht möglich, aber es ging ja auch so.
Tag 425 (28.10.2023)
25 °C

Von Istarawshan nach Tursunzoda
32,2 Kilometer | |
188 Minuten |
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680 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Nik fand einen Bäcker, bei dem uns das frische, traditionelle Brot „Non“ das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Also ließen wir uns gegenüber in einer Art kleinem Park auf einer Bank nieder und genossen das noch warme Brot mit jedem Bissen. Es gab wieder einige Leute, die uns ansprachen und interessiert beäugten. Ein junger Mann fragte direkt an, ob er sein Englisch mit uns trainieren könnte. Das war freundlich und direkt. Da wussten wir, woran wir waren und freuten uns.
Das Bargeld ging zur Neige und die Automaten mochten unsere Karten nicht so recht. Erst im vorletzten Ort hat es dann zum Glück mit dem Geldautomaten geklappt. Wir haben uns auch direkt vor die Bank im dazugehörigen Vorgarten auf eine der Parkbänke gesetzt und was gegessen. Verena schälte eine der grünen Rüben. Da begann ein Passant wild zu gestikulierten. Nik und Verena hatten unterschiedliche Interpretationen dazu. Eine war, dass die Rübe nicht bekömmlich sein könnte. Oder er riet Verena zu anderem Essen, weil sie so dünn war. Keine Ahnung! Kurz dahinter kauften wir noch Lebensmittel. Dabei wurde Nik von einer älteren Dame angesprochen. Die kam ihm sogar noch hinterhergelaufen zum Rad, um ihm was auf ihrem Handy zu zeigen. Da waren wir dann mal diejenigen, die um ein Selfie baten.
Weit kamen wir erst mal nicht. Am nächsten Laden hielt ein Opel neben Verena, während sie auf Nik wartete, der weiter am Einkaufen war. Ein Invalider (seine eigene Bezeichnung) stieg aus und erzählte so einiges auf gebrochenem Englisch. Bei der Frage nach Verenas Job ist das etwas schwierig zu erklären. Sobald die Leute „Labor“ hören, denken sie an die Medizin. Verena hat es erst nicht geschnallt (Nik schon), aber der Invalide zielte ab dann mit seinem Gespräch darauf ab, mehr über eine mögliche Reha in Deutschland zu erfahren beziehungsweise wollte einen Kontakt in Deutschland dafür knüpfen.
Das Hotel für diese Nacht war nur spärlich beleuchtet. Es machte auch nicht den Eindruck, als wenn es gerade in Betrieb war. Vielmehr schien es im Umbau zu sein. Es gab eine überdachte Fläche zwischen dem Hotel, einem kleinen Gebäude, das wie eine Großküche wirkte, und einer Outdoor-Küchenzeile mit mehreren Kochstellen. Dort lagen viele frisch gestrichene Stahlträger zum Trocknen aus. Wir mussten bei der Besichtigung der Anlage und Klärung der potenziellen Schlafmöglichkeit mehrfach über sie hinweg steigen. Die Männer konnten ausnahmslos nur Usbekisch. Das Tippen in der Übersetzungs-App dauerte ewig. Die Interpretation der Übersetzung bedurfte viel Kreativität. Es gab kein fließendes Wasser. Für das Zimmer fehlte der Schlüssel zum Öffnen. Die Toilette war in einem anderen Gebäude, auf der anderen Seite des Parkplatzes und gegenüber der Straßenhändler, die sich entlang der Straße aufgestellt hatten. Sie gehörte, bis dahin, zu den für uns am schwersten erträglichen Toiletten. Wir bekamen ein Gesellschafts- und Esszimmer in einem weiteren, kleinen Gebäude gezeigt. Es entbrannte eine Diskussion unter den Männern und Telefonate wurden geführt. Es ging um das Zimmer und oder den Preis. Am Ende lag dieser in unserem Ermessen. Wir bekamen ein Zimmer im Hotel, zu dem sie einen Schlüssel fanden. Die Männer selbst, oder zumindest einer von ihnen, schliefen im Zimmer gegenüber. Die Räder kamen in der Großküche unter, die wir hätten mitnutzen können. Da niemand Lust hatte zu kochen, gab es trockenes Brot (für Verena mit Kurut) und Knabberkram.
Tag 426 (29.10.2023)
29 °C

Am Hotel wurde eine Konstruktion zur Überdachung des Haupteinganges angebaut. Das war kein schöner Anblick, was die Arbeitssicherheit anging.

Von Tursunzoda nach M41
12,7 Kilometer | |
99 Minuten |
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420 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Unser Zimmer lag im Dachgeschoss. Die Tauben trieben sich morgens auf dem Metalldach herum. Dadurch war jede Bewegung der Tauben hervorragend zu hören. Zudem gingen die Bauarbeiten am Hotel weiter. Wir überlegten längere Zeit vor dem Hotel sitzend, ob wir uns ein Taxi organisieren lassen wollten oder nicht. In einigen Kilometern erwartete uns ein Tunnel, dessen Durchfahrt mit Fahrrädern nicht empfohlen wurde. Sechs Kilometer durch einen unbeleuchteten und vor allem ungelüfteten Tunnel wollten wir uns beim besten Willen nicht antun. Aber wir hatten keine Erfahrung im Trampen, weder mit noch ohne Fahrrädern. Wie gut stehen die Chancen, mitgenommen zu werden? Was machen wir, wenn uns niemand mitnimmt? Wie rücksichtsvoll fahren die Leute im Tunnel dann an Radfahrende vorbei? In der Türkei hatten wir in den Tunneln ganz üble Erfahrungen machen müssen. Dort oben Zelten wäre nur eine Notlösung, weniger zum Schlafen, mehr zum Durchstehen der Nacht. Im Dunkeln zu fahren, war keine Option. Wir kratzten unsere Energie und nahmen unseren Mut zusammen. Weiter ging es, fleißig bergauf. Irgendwer wird uns schon durch den Tunnel bringen!
Wir wollten nur zwölf Kilometer fahren und dabei 440 Höhenmeter erklimmen. Den Tunnel würden wir dann erst am nächsten Tag erreichen. Das Wetter war herrlich! Nik war eigentlich schon leicht erschöpft losgefahren. Auf halbem Wege bogen wir in ein Dorf ab, um Brot und Wasser zu besorgen. Es war wieder in einem privaten Gehöft integriert. Wir machten nach dem Einkauf direkt davor eine Pause auf einer Bank. Da kam ein alter Herr von dem Gehöft und setze sich zu uns. Wir verstanden ihn nicht und er uns nicht. Jemand erklärte uns, dass er mit 90 Jahren schwerhörig war, schlecht sehen konnte und viel erzählt. Und ja, er erzählte uns so einiges. Wir verstanden mehrfach das Wort Stalin. Ob er uns vom Krieg berichtete? Verena saß direkt neben ihm. Sein Geruch erinnerte sie an ihre verstorbene Oma, die schon vor langer Zeit verstorben war, die sie jedoch weiterhin vermisst.
Das anvisierte Hotel erreichten wir bereits um halb drei. Der junge Mann an der Rezeption wollte uns tatsächlich das Doppelte berappen. Verena fragte, wie viel ein Zimmer kosten würde. Er tippte 160. Sie fragte, ob das der Preis für beide oder eine Person war. Da ging er zu Nik und zeigte ihm 320. Was sollte das denn bitte? Bei den von uns vorgeschlagenen 240 schlug er ein. Allerdings so schnell, dass das kein gutes Zeichen für uns war. Online fanden wir später einen Eintrag wieder, dass ein Doppelzimmer tatsächlich nur 160 kosten würde. Na toll!
Das Zimmer war klein und einfach und richtig kalt. Der Radiator in der Ecke war definitiv notwendig. Draußen gab es genug Platz, die Räder gut verdeckt anzuschließen. Zwei Gemeinschaftsbäder mit Sitztoiletten und Duschen. Verena ging direkt duschen, damit die Wäsche eine Chance hatte, vor der Weiterfahrt noch trocken zu werden. Wir fühlten uns echt keimig. Nik war so klebrig am Arm, dass es Geräusche machte, wenn er ihn auf der Hose liegend anhob. 🤢 Die Wäsche hing über den Rädern und einem kleinen Nadelbaum. Da wurden wir gebeten, die Räder zur Sicherheit reinzuholen. Unsere Wäsche durften wir über einen Wäscheständer hängen. Langsam gingen uns die Tüten für die ölenden Getriebe aus. Das hätten wir auch nie für möglich gehalten.
Verena hatte keine Lust auf eine Diskussion mit den Hotelangestellten wegen des Essenkochens. Wir wollten einfach nur Instant-Nudeln (Rollton) zubereiten. Das wird normalerweise nur mit kochendem Wasser übergossen und ist nach fünf Minuten fertig zum Verzehr. Wir kochten es allerdings ein. Verena durfte vorher schon nicht mal die Küche betreten. Da war es mehr als fraglich, ob sie uns an einen ihrer Herde lassen würden. Zudem hätte es dann sicher wieder Diskussion gegeben über unsere seltsame Art der Zubereitung. Also haben wir uns ungefragt in eine nicht gut einsehbare Stelle im Außenbereich gehockt und dort zusammen auf unserem Campingkocher gekocht. Das letzte Abendessen war nicht so pralle und das Frühstück spärlich ausgefallen. Am nächsten Tag standen noch einmal 500 Höhenmeter auf dem Plan bis zum Tunnel. Da brauchten wir was Besseres als trockenes Brot. Zudem hatten wir beide wieder Lust drauf. Als wir zuletzt die Nudeln zubereitet hatten, da war es bitterkalt und wir schlangen sie neben dem Zelt hockend so schnell wir konnten, um endlich ins Zelt zu verschwinden. Heute konnten wir es entspannter angehen lassen, weil es nicht so bitterkalt war.