Tourwoche
Tag 255 (20.02.2023)
24 °C

Wir haben den höchsten Berg für den Tag erreicht, da kann man sich auch Zeit für den Ausblick nehmen.

Von Al Quweira nach Qasamiya
39,6 Kilometer | |
208 Minuten |
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760 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Nach einem guten arabischen Frühstück waren wir bereits kurz nach neun Uhr auf unseren Drahteseln und gaben ihnen die Sporen. Nach den ersten Abenteuern des Tages, so einigen Höhenmetern und Kilometern, erreichten wir ein Dorf. Kurz vor Ende des Dorfes stellten wir uns in den Schatten eines unbewohnten Hauses direkt am Straßenrand. Wir wollten was essen. Da holte uns ein Fahrradfahrer ein. Es war nicht wie erwartet Marcel, sondern ein Pole. Nach einem kurzen Gespräch fuhr er weiter. Dabei beobachtete Verena, dass ihm eine Gruppe Jugendlicher Männer entgegenkam. Es sah aus, als wenn sie ihn angehen würden. Dann kamen sie auf uns zu. Aus freundlichem Interesse wurde schnell Aufdringlichkeit. Teilweise wurden sie unangenehm laut. Über wenige Minuten spitzte sich die Lage weiter zu. Als wir weiterfuhren kam es zu leichten Übergriffen und wir wurden mit Steinen beworfen. Von diesem Verhalten hatten wir schon gelesen. In den Netzwerken warnen sich die Radfahrenden gegenseitig vor einigen Gebieten. Jetzt hatten wir es am eigenen Leib erfahren.
Es ging immer weiter bergauf. Verena begann zu schieben. Da hielt ein LKW mit leerem Tieflader vor uns auf der einzigen Fahrspur direkt vor einer Rechtskurve. Er fragte, ob er uns mitnehmen kann. Wir lehnten dankend ab. Verena wollte den Berg aus eigener Kraft schaffen. Nik wäre so oder so nicht mitgefahren. Je höher wir kamen, umso toller wurde die Aussicht. Dann hielt ein Van neben Nik. Es war ein Schweizer, der seit 16 Monaten mit seinem umgebauten Camper Van unterwegs war. Er war mit seinem Besuch auf dem Weg nach Petra und bot an, unsere Sachen mitzunehmen. Da wir Petra am selben Tag nicht mehr erreichen würden, konnten wir das Angebot leider nicht annehmen. Sein Angebot unser Wasser nachzufüllen schlugen wir jedoch nicht aus.
Am höchsten Punkt angekommen, war die Aussicht wunderbar. Im nächsten Dorf dauerte es nicht lange, bis wir wieder eine Gruppe mit Jugendlichen sahen. Sie hatten Stöcke und andere langstielige Gegenstände in der Hand. Als sie uns sahen, gingen sie auf die Straße. Sie stellten sich wieder in den Weg und wir fuhren so schnell es ging durch die Gruppe. Sie schimpften und bewegten die Stöcke, als wenn sie uns damit schlagen wollten oder zwischen die Speichen zielten. Wir glauben nicht, dass sie uns ursprünglich böse gesinnt waren. Wir hatten nur einfach keine Nerven und kein Vertrauen mehr, um ihnen unvoreingenommen zu begegnen. Unser Verhalten, ohne freundliche Miene vorbeizufahren, hat eine negative Stimmung uns gegenüber somit begünstigt. Dessen sind wir uns bewusst.
Zum Sonnenuntergang holte Marcel uns wieder ein und wir wurden auf der Suche nach einem Zeltplatz von Beduinen eingeladen. Vor ihrem Beduinenzelt war eine leere Fläche begradigt und unterteilt, wie in einem Garten mit Nutzpflanzen. Sie waren perfekt zum Zelten und zum sicheren Abstellen der Räder. Wir wurden direkt ins Zelt gebeten. In einem Beduinenzelt bei Tee am Lagerfeuer bekamen wir auf einem traditionellen Musikinstrument ein jordanisches Lied von einem Einheimischen vorgesungen. Für genau solche Momente sind wir unterwegs. Es war herrlich!
"King" Kahlid sammelt Münzen und andere Dinge, die er rund um das Zelt findet. Sie sahen teilweise uralt aus. Wir haben davon aber keine Ahnung. Er hatte aber auch eine fünf Pfennigmünze, die gelocht an den Überresten eines Anhängers hingen, und Reste von Ringen.
Einer der drei Beduinen fuhr los, um etwas zum Abendessen zu besorgen. Wir versuchten zu erklären, dass wir keine Umstände machen wollten und genug dabei hätten. Half aber nichts. Es gab Tomaten, eine Art Wurst und Thunfisch, dazu wie immer Brot. Das Brot wurde direkt auf dem Gasbrenner erwärmt. Bevor er sich verabschiedete, holte Khalid noch etwas Gestrüpp für das Feuer. Es waren trockene, kleine Büsche, die er mit einer Hacke aus dem Boden löste. Er wollte die Nacht Zuhause verbringen. Dadurch konnten wir zu dritt im Zelt schlafen, ohne unsere Zelte noch aufbauen zu müssen. Er überließ Nik sogar noch seinen langen, schweren Mantel.
Tag 256 (21.02.2023)
23 °C

Rechts das Beduinenzelt von letzter Nacht, links mussten wir wieder runter auf die Straße, um nach Petra zu gelangen.

Von Qasamiya nach Wadi Musa
42,6 Kilometer | |
190 Minuten |
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550 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Die Nacht war furchtbar. Es war so kalt in dem Beduinenzelt, dass wir nicht gut geschlafen hatten. Marcel ging es mit dem Mantel, den Nik ihm überlassen hatte, etwas besser. Noch bevor wir aufwachten, entzündeten die drei Beduinen ein Feuerchen vor dem Zelt. Wir bekamen wärmenden Tee von ihnen und wärmende Sonnenstrahlen vom wolkenfreien Himmel. Bei Tageslicht erkundeten wir noch ein wenig das Gelände. Man erkannte zerfallene Mauern, hier und auf den umliegenden Hügeln. Zwischen dem Geröll findet Khalid seine Schätze. Sie pflegen dort ihre Nutzpflanzen Wermut und Qaisum. Zwei angeleinte Hunde bewachen alles. Irgendwo zwischen ihnen, lief unangeleint ihr Nachwuchs, ein noch etwas tapsiger Welpe herum. Und zu guter Letzt haben sie sogar noch eine kleine Herde Ziegen mit Nachwuchs.
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns von unseren freundlichen Helfern und Gastgebern. Wir wollten heute Wadi Musa erreichen, eine Stadt am Haupteingang zur Felsenstadt Petra. Eine Gravelpiste verkürzte die Strecke. Sie war für uns beide etwas aufregender als für den erfahrenen Hasen Marcel. Wir erklärten ihm, dass wir definitiv kein Problem damit und vollstes Verständnis dafür hätten, wenn er lieber zügiger unterwegs ist und vorausfahren möchte. Der Schlafmangel machte uns arg zu schaffen. Er blieb und fuhr immer nur wenige Meter voraus. Wir blieben in seiner Spur. Im Schatten eines Windrades und mit etwas Ausblick wartete er auf uns. Die Security vom Windpark kam dazu und erklärte ihm und Nik, dass wir in die Richtung nicht weiterfahren durften. Verena kämpfte sich noch weit abgeschlagen, aber in Sichtweite, die Piste hinauf. Sie teilten ihren Tee mit uns und wir unsere Nüsse mit ihnen. Wir waren keine Minute unterwegs, da kam uns ein Opel mit drei jungen Männern entgegen. Marcel kam mit ihnen ins Gespräch und sogar sein Kopftuch von ihnen ordentlich gebunden. Als Abschied gab es ein Foto mit Marcel. Dann kam eine steile aber asphaltierte Abfahrt. Nik hatte die richtigen Bremsen ausgesucht! Verena ging ein wenig die Muffe!
Wir fuhren nicht lange, da kam eine riesige Parkfläche mit einem tollen Ausblick in die bergige Region. Eine Gruppe Leute machten dort Pause und hatten ein ordentliches Buffet aufgefahren. Woher wir das wissen? Wir wurden zum Essen eingeladen. Da wir weiter mussten lehnten wir ab. Trotzdem naschten wir noch ein paar Datteln und Käsekuchen, während wir uns mit einigen von ihnen kurz unterhielten. Die Kalorien konnten wir für die letzten Höhenmeter gut gebrauchen.
Nachdem Marcel unterwegs eine Gruppe kleiner Jungs gebändigt und wir zu dritt für ein paar Fotos am „I love Petra“-Schriftzug posierten, nahmen wir auf einer Mauer kurz vor Wadi Musa Platz. Es brauchte eine Weile, bis die Männer eine bezahlbare Unterkunft fußläufig zum Haupteingang der Felsenstadt fanden. Verena unterhielt derweil ein paar Kinder, die uns interessant fanden. Ein Junge (Grundschulalter) freute sich, dass er ein paar Wörter Englisch sprechen konnte. Er hätte auch so gerne mit Nik und Marcel gesprochen. Die waren aber einfach zu vertieft. Nach einiger Zeit ging er sichtlich geknickt weg. Dafür kam eine Gruppe kleiner Mädchen neben Verena auf die Mauer. Sie starrten regelrecht, während ihr Grinsen von Ohr zu Ohr reichte. Hier reichte das Englisch eines der Mädchen allerdings nur für die Nennung der Lieblingsfarben von all ihren Freundinnen.
Im Hotel in Wadi Musa angekommen, kamen die Radels in einen kleinen Raum direkt neben dem Eingang. So einfach haben wir es natürlich am liebsten. Da wir vier Nächte bleiben wollten und es kein Problem in Jordanien ist, ließ sich Verena zwei Zimmer zeigen. Das mit dem besten Ausblick wurde unseres. Und es lag zudem keine 20 Meter von Marcels Zimmer entfernt. Er und Nik trafen sich noch in der Stadt beim Einkaufen. Jeder fiel ins Bett. Der Tag hatte uns alle geschafft.
Tag 257 (22.02.2023)
23 °C
Es wurde nichts erledigt, nichts besichtigt. Es war ein reiner Erholungstag. Und das war auch gut so. Wir hielten mit Anika Kontakt, die abends in der Nähe der Stadt eintraf. Sowohl wir drei, als auch Anika, wollten morgen Petra besichtigen. Vielleicht würde man sich dann über den Weg laufen.
Tag 258 (23.02.2023)
22 °C
Nach dem Ausschlafen ging es erst gegen 13 Uhr Richtung Felsenstadt. Den Ansturm am Vormittag hatten wir uns geschenkt. Hinter dem Touristenzentrum gab es einen Gehweg und einen Reitweg. Wer wollte, der konnte sich kostenfrei auf einem Araber bis zum Anfang der Schlucht führen lassen. Außerdem schlängelten sich zwischen den Fußgängern elektrische Golfcarts durch. Sie transportierten gegen eine Gebühr Touristen zwischen dem Touristenzentrum durch eine Schlucht bis vor das Schatzhaus hin und her. Vor der Schlucht gab es bereits die ersten in Fels gehauenen Höhlen zu bestaunen. Sie waren sogar frei zugänglich. Dann ging es in die Schlucht (Siq), die gefühlt endlos war. Aber mit jedem Schritt veränderte sie sich in Breite, Form, Ausleuchtung und Farbe. Es waren Überreste von Reliefs, Inschriften, Statuen und in den Fels gehauene Löcher erkennbar. Die letzte Engstelle offenbarte dann die legendäre Fassade des Schatzhauses Khazne al-Firaun. Sie ist mit rund 40 Metern Höhe einfach nur riesig. Und es macht sie umso imposanter, wenn man weiß, dass die Nabatäer vor wahrscheinlich fast genau 2000 Jahren all das mit ihren Händen und für uns einfachen Werkzeugen und Hilfsmitteln gefertigt hatten. Das zeugt von Kreativität, Erfindungsreichtum und Handwerkskunst. Die Rottöne des Gesteins im Lichtspiel der Sonne erzeugten eine wunderbare Atmosphäre. Es macht einen Unterschied, ob etwas frei steht oder umgeben ist von anderen Dingen wie einem Wald oder Häusern. Oder sich wie hier mitten in einer Schlucht befindet. 😊
Vor der Schatzkammer war ordentlich was los. Zur Hauptsaison und zu den Stoßzeiten ist es sicher sehr viel voller, aber die angetroffene Menschenmenge und die vielen fein geschmückten Kamele dazwischen reichte uns auch so schon. Ein paar schöne Fotos mit wenig „Statisten“ im Hintergrund bekamen wir auch hin. Dann ging es weiter durch die Schlucht. Sie war gesäumt von Ständen mit Modeaccessoires wie Taschen, Schals, Ketten, Ohr- und Fingerringen, Dekorationen wie Steinskulpturen, Kühlschrankmagneten, Teppichen und Gemälden, sowie Gefäßen wie Becher, Teller, Schalen und Krüge aus unterschiedlichem Gestein in den verschiedensten Farben und Farbverläufen. Die Schlucht endete, wo eine Vielzahl an Gräbern begann. Wir setzten uns in die Sonne, beobachteten das Treiben und genossen die Aussicht auf die architektonischen Leistungen. Dazwischen lag das Theater. Ihm gegenüber gingen wir zu einigen Höhlen hinauf und weiter Richtung Norden zu den Gräbern (Urn, Silk, Corinthian und Palace Tomb). Wir folgten dem Pfad und kamen immer weiter hinauf. Wir wussten nicht, wohin wir eigentlich gingen. Aber das war egal. Solange es Stufen oder einen erkennbaren Pfad gab, gingen wir einfach weiter. Unterwegs fragten wir dann doch einmal entgegenkommende Touristen, wo genau der Weg eigentlich hinführte. Zu einem super Aussichtspunkt. Also weiter! Auf den letzten Metern gab es immer mal wieder kleine Stellen, bei denen man Klettern musste. War aber kein Problem! Immer wieder kamen Esel mit ihren treibenden Reitern hoch- und an uns vorbeigetrabt. Ziegenköpfe ragten über unseren Köpfen über die Felsen hinaus. Ein paar schreiende Babyziegen lagen plötzlich im Weg. Dann erreichten wir eine Art Bude, die zwischen die Felsen an einen Hang gebaut war. Innen war alles mit Teppich ausgelegt. Eine kleine Bar und Sitzkissen, dazwischen tobten Kätzchen. Die Seite zum Hang war komplett offen, für einen Blick auf die Schatzkammer von oben.
Für diesen bequemen Blick wird man gebeten etwas zu kaufen. Wir haben uns frisch gepressten Granatapfelsaft gegönnt. Keine Ahnung, wie viel Zeug die Esel dort täglich an Tee, Softdrinks und Wasser hoch und an Müll wieder hinuntertragen müssen. Aber wird eine ganze Menge sein.
Wir nahmen den selben Weg herunter. Kurz vor dem Theater, am Weg der Gräber, sahen wir ein Dromedarkalb, das von einem Mann festgehalten unter der Mutter stand. Er erklärte, dass es gerade mal eine Stunde alt sei. Wow! 😳 Da es schon 17 Uhr war wurden keine Leute mehr reingelassen. Dafür wurden es immer mehr Menschen auf den Wegen und Straßen. Ein entspannter Strom Richtung Besucherzentrum. Durch den Sonnenuntergang war das Licht genial. Am Schatzhaus waren kaum noch Leute, was zu weiteren Selfies einlud. Auf dem Weg durch die Schlucht kam uns ein Jeep entgegen der kleine Tüten abwarf. Dahinter liefen drei oder vier Männer, die die Tüten ordentlich an die Seiten stellten. In den Tüten war Sand, in dem Kerzen standen. Es gibt ein extra Nachtticket für Petra und das war die Vorbereitung dafür. Der komplette Weg wurde mit diesen kleinen Kerzen drapiert. War ganz schick. Wir hatten zum Glück Tickets für zwei Tage Petra gekauft. Ein Tag kostete 50 jordanische Dinar, zwei Tage 55. Am nächsten Tag wollten wir dann einen weiteren Bereich von Petra erkunden.
Tag 259 (24.02.2023)
22 °C
Unser zweiter Tag in der Felsenstadt Petra. Wir folgten dem Weg am Theater vorbei. Rechts erhoben sich die Gräber vom Vortag, heute ging es nach links zum Kloster. Durch die Säulenstraße, vorbei am großen Tempelkomplex und dem Haupttempel Qasr al-Bint hieß es wieder Treppen steigen. Oder was teilweise davon übrig war. Dabei rasten erneut Esel an uns vorbei, diesmal mit Touristen auf dem Rücken. Wir gaben uns alle Mühe, den Eseln nicht im Weg und dabei selbst an einer sicheren Stelle zu stehen.
Oben angekommen war das Gelände um das Kloster Ad Deir weitläufig. Wir setzten uns auf einen Felsen ein paar Meter entfernt und ließen die Atmosphäre auf uns wirken. Immer mal ging jemand von uns auf kleine Erkundungstour. Plötzlich wurde es still vor dem Kloster und alle schauten zum Dach hinauf. Ein junger Beduine war irgendwie nach oben geklettert und setzte sich auf eines der Dächer. Als er wieder aufstand sprang er zwischen den Dächern hin und her. Gefühlt hielten alle den Atem an.
Nach dieser Showeinlage gingen wir noch ein Stück weiter vom Kloster weg. Wir folgten den Schildern zum „Ende der Welt“. An steilen und tiefen Klippen standen noch die Überreste von einfach gezimmerten Bars. Eines betraten wir vorsichtig und schauten hinab in die Tiefe. Dann spazierten wir den ganzen Weg zurück. Wir wussten genau, wie sich die Touristen auf dem Weg nach oben fühlten, als sie schnaufend an uns vorbeigingen. Unterwegs gab es noch einen Abstecher zum "Löwen Triclinium". Nik und Marcel kletterten hinauf um hineinschauen zu können.
Wir hatten Anika an beiden Tagen in der Felsenstadt verpasst. Deshalb kam sie uns abends im Hotel besuchen. Es war wieder ein schöner Abend mit tollen Gesprächen. Am nächsten Tag wollte sie in den Süden nach Wadi Rum, Marcel in den Norden nach Amman und wir in den Südosten nach Saudi-Arabien fahren.
Tag 260 (25.02.2023)
23 °C

Von Wadi Musa nach Ma'an
43,0 Kilometer | |
162 Minuten |
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480 Höhenmeter |
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Route als GPX-Datei |
Nach dem Abschied von Marcel hieß es für uns sechs km bergauf fahren. Dann ging es hauptsächlich bergab auf den nächsten 170 km. Nach dem längsten Aufstieg hielten wir neben einem eingezäunten Gebäude, um durchzuschnaufen. Aus dem Wachhaus kam ein Herr und sprach uns freundlich an. Er fragte mehrmals, ob wir einen Tee haben möchten. Verena sagte irgendwann zu. Nur hatte sie vergessen zu fragen, wie viel er denn für einen Tee haben möchte. Vier jordanische Dinar (JD) für zwei Tees waren eine Menge. Nik schaffte es ihn auf zwei herunterzuhandeln. Dann fragte er Nik, ob er eine seiner selbstgedrehten Zigaretten haben könne. Den Spieß umgedreht forderte Nik einen JD pro Zigarette. Bei der Antwort „bezahle ich morgen“ beendeten wir die unangenehme Situation, Nik packte die Zigarette wieder ein und wir fuhren weg.
Ein paar Meter weiter, außer Sichtweite des Teeverkäufers, hielten wir erneut an, um unsere Pause zu machen. Nun leider mitten in der Sonne, dafür aber wenigstens alleine. Es folgten viele, zügige Abfahrten. In den Dörfern mieden wir weiterhin die jungen Männer. In der letzten Stadt mussten wir anhalten. Wir brauchten Getränke und wollten uns Falafel kaufen. Doch schon beim Einkaufen bildete sich eine kleine Traube um Nik, der bei den Rädern wartete. Sie waren freundlich interessiert, kamen uns für unser Gefühl leider trotzdem zu nahe. Also fuhren wir ohne Falafel weiter. Die Stadt war größer als wir erwartet hatten. An einer menschenleer wirkenden Stelle stellten wir uns in den Schatten. Direkt hatte uns ein kleiner Junge entdeckt und versuchte sich mit uns zu unterhalten. Es ging einfach nicht. Wir fühlten uns so was von unwohl seit dem unschönen Erlebnis und schwangen uns direkt wieder auf die Räder.
Hinter der Stadt gab es einen kurzes Stück Wüste, gefolgt von einem Industriegebiet. Parallel zur Straße gab es dann Bahngleise. Wir wollten über die Gleise in die hügelige Wüste dahinter und einen Platz für unser Lager finden. An einer Stelle diskutierten wir dann, wie gut oder schlecht dieser sei. Nik ging los, um etwas besseres zu finden. Verena war es schon zu spät, um weiterzusuchen (die Sonne ging schnell unter) und sie fand die Stelle vollkommen ausreichend. Als Nik zurückkam war Verena bereits dabei den Untergrund für das Zelt vorzubereiten. Das gab einige Spannung, wir blieben aber an dem Platz.
Im Zelt liegend, fertig zum Schlafen, schaute Nik aufs Navi. Diese letzte Stadt, durch die wir noch gefahren waren, war Ma’an. Dort hatte Defallah seine zweite Frau mit Familie. Wir schrieben ihm ohne unseren Standort zu senden. Er war zufällig in Ma’an und wollte uns abholen. Wir erklärten ihm, dass wir heute nicht mehr alles zusammenpacken würden. Dafür wollten wir ihn am nächsten Tag besuchen kommen und nochmal einkaufen, weil die nächsten Kilometer keine Versorgungspunkte mehr auf den Karten zu sehen waren.
Plötzlich wurde unser Zelt erleuchtet. Ein Jeep kam angefahren. Das konnte unmöglich Defallah sein. Es war ein anderer Beduine. Er fragte, ob alles ok sei und wie wir hier hin gekommen wären. Manchmal schläft er hier draußen. Nach einem kurzen Plausch mit Hilfe des Google Übersetzers fuhr er weiter zu seinem Platz.
Tag 261 (26.02.2023)
23 °C
Als wir aufwachten, war der Beduine Atef schon wieder weg. Allerdings nur kurz, um uns Frühstück in der Stadt zu besorgen. Wir waren baff. Er gab es uns, wir plauderten noch ganz kurz über den Google Translator und schon war er wieder weg.
Nachmittags fuhren wir zurück nach Ma'an, um Defallah zu besuchen. Einer seine Söhne wartete bereits vor dem Tor auf uns. Das Haus war riesig und nagelneu, sie waren gerade erst eingezogen. Die Freude, ihn noch einmal wiederzusehen, war groß. Wir verstanden uns gut mit seiner Frau und den Kindern. Er hatte dort drei Söhnen, der älteste beim Militär, der jüngste mit Down-Syndrom und zwei Töchtern. Es gab wieder viel leckeres Essen und eine Stadtrundfahrt mit Eis, auf der auch gleich noch ein paar "Missions" erfüllt wurden. Unter anderem die Fahrradkette eines Kinderfahrrads in einem Fahrradladen zu reparieren.
Ein Teil ihrer Familien und Freunde füllten gegen Abend das Haus. Unter den Gästen waren ein paar kleine Mädchen. Sie starrten uns regelrecht hypnotisiert an und waren schüchtern interessiert. Verena bekam wieder die Gelegenheit, mit der Frau des Hauses etwas privater zu kommunizieren.
Der jüngste Sohn hatte vor Defallahs Schwiegermutter und einem der anwesenden Onkel richtig schiß. Sie packten ihn in unserer Anwesenheit gröber an als alle anderen. Eine Methode war anscheinend auch, ihn mit einem Feuerzeug unter seiner Hand oder dem Arm schmerzhaft zu züchtigen. Er nahm Verena etwas weg und grinste sie frech vor ihr sitzend an. Ihr wurde erklärt, sie müsse die Hand zu ihm ausstrecken und die Augen schließen. Er legte es zurück in ihre Hand. Bei Nik mopste er das Feuerzeug. Er streckte die Hand zu dem Jungen aus und schloß die Augen. Doch er gab das Feuerzeug nicht zurück, sondern entfachte eine Flamme und hielt sie unter Niks Hand. Ihm wurde sofort das Feuerzeug aus der Hand geschlagen und die Schwiegermutter bekam sichtbar eine Ansage von Defallahs Frau. Das war krass. Alle anderen gingen normal und liebevoll mit ihm um.